Das Sakrament
stehen, übertreffen bei weitem die unseres Ordens. Der Vatikan könnte mehr als genug Mittel zur Verfügung stellen, um Toledo zu bestechen, und nicht nur ihn, sondern auchnoch die Schlüsselfiguren im Ritterorden.« Ludovico lehnte sich vor. »Laßt Medici die Zeche bezahlen! Und wir bestimmen die Schlagrichtung.«
Wieder zupfte sich Ghislieri an seinem langen weißen Bart. »Eure Strategie würde Medici so gut gefallen wie seinem Nachfolger. Und Ihr hättet das ganze Gewicht des päpstlichen Willens auf Eurer Seite.«
»Morgen«, sagte Ludovico, »inszeniere ich meine Ankunft in Rom und erstatte Medici Bericht, als spräche ich nur zu ihm allein. Der Papst wird mir die nötigen Mittel und Versprechen gewähren.«
»Dann kehrt Ihr nach Malta zurück?«
»Erst nach Sizilien und zu Garcia de Toledo, dann nach Malta.«
»Und wenn Malta schon den Türken in die Hände gefallen ist?«
Ludovico antwortete nicht. Er stand auf. »Sobald ich mich im Vatikan zeige, werde ich während meines gesamten Aufenthalts unter Beobachtung stehen. Wir beide werden uns vor meiner Abreise nicht mehr treffen.«
Ghislieri runzelte die Stirn. »Ihr sagtet, es gäbe noch zwei Schritte, ehe der Ritterorden Euch in seinen Schoß aufnimmt. Was ist der zweite?«
»Ich werde mich zu den Rittern auf den Verteidigungswällen gesellen und mich in der Schlacht gegen die Ungläubigen mit Blut beflecken.«
Nun zeigten sich andere Gefühle in Ghislieris Augen. Er streckte eine Hand aus und legte sie Ludovico auf den Arm. »Ich bitte Euch, reist nicht weiter als bis Sizilien.«
Ludovico schaute ihn wortlos an.
»Ihr steht mir näher als ein eigener Sohn«, sagte Ghislieri. »Und seid mir genauso teuer.«
Ludovico, der Zuneigung nicht gewohnt war, sah sich seltsam gerührt, und doch antwortete er nicht.
»Ihr seid noch jung«, fuhr Ghislieri fort. »Eines Tages könntet Ihr den Fischerring selbst tragen. Das hoffe ich jedenfalls, und dafür bete ich.«
Ludovico hatte sich jeden Schritt ausgemalt, den es dazu brauchte, hatte den mit Steinen übersäten Weg vor sich gesehen, und doch strebte er danach, das Unmögliche zu erreichen. Er ersehnte den Sturz La Valettes. Er sehnte sich nach der Prüfung der Schlacht. Diese kleinen Gelüste, glaubte er, waren nur Ausdruck einer fundamentalen und tiefen Kraft: des Willen Gottes.
»Ihr verbietet mir, in die Schlacht zu ziehen?« fragte er.
Ghislieri seufzte und schüttelte den Kopf. »Und wenn Ihr sterbt?«
Ludovico antwortete: »Mein Leben ist in Gottes Hand. Habe ich Euren Segen?«
»Als Mitglied unserer Heiligen Kongregation? Oder als Johanniter?«
»Als das, was ich sein muß, um den Willen Gottes zu erfüllen.«
D IENSTAG , 5. J UNI 1565
Im Hafen – In Birgu
Nacht. Wind. Sterne. Meer. Steine.
Die Tage waren heiß, aber die Nächte waren kühl. Amparos grünes Leinenkleid reichte nicht aus, um sie warmzuhalten. Sie schlang die dünnen Arme um die hochgezogenen Knie und fröstelte in der Brise. Die sanften Wellen des Meeres schimmerten silbern, und ein runder Mond hing niedrig im Dunst. Wo Amparo saß, zwischen die Holzstapel der Kalkarabucht geduckt, waren diese zärtlichen Freunde – der Wind, das Meer, die Sterne, der Mond, die Nacht – alles, was sie kannte, und sie brachten ihr Trost. Auf dem Schoß hielt sie ihr Zauberglas in seinem ledernen Köcher. Sie hatte versucht, die Geheimnisse des Glases im Mondlicht zu entziffern, aber die Engel hatten wieder nicht zu ihr gesprochen. Alles, was sie gesehen hatte, waren bunte Wirbel. HübscheMuster, mehr nicht. Waren die Engel vor dem Haß geflohen, der überall ringsum solche Blüten trieb? Oder weil Amparo verliebt war und nun ihre Anleitung nicht mehr brauchte?
Tannhäuser weilte draußen unter den Heiden, irgendwo jenseits der gespenstischen Mauern, die sie alle einschlossen und ihr das Gefühl vermittelten, in die Falle gegangen zu sein. Da weder Tannhäuser noch Buraq da waren, um ihre Stunden auszufüllen, hatte sich der Tag lange hingezogen. Der Quartiermeister hatte Amparo gescholten, weil sie Wasser verschwendet hatte, um ihre Blumen zu gießen, und sie hatte nichts zu tun, als ihnen beim Verwelken zuzusehen. Bei Sonnenuntergang war Tannhäuser noch nicht wieder zurückgekehrt. Erschöpft vom Warten und den Sorgen war Amparo zum Hafen gegangen, um dort die Stille zu genießen. Sonst gab es so gut wie keine Stille mehr. Kanonen ließen die Erde von Sonnenaufgang bis zur Abenddämmerung erbeben. Vom Hospital drangen die Schreie
Weitere Kostenlose Bücher