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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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auf der Insel anwesenden Ritter zur Wahl standen. Auch dann folgten noch zweiundsiebzig Stunden fieberhaften Ränkeschmiedens – Bestechungen, Drohungen, Erpressung und die seltsamsten Schwüre – unter den Brüdern aus den acht sich um das Amt bewerbenden Zungen. Viele, so hatte man Ludovico erzählt, trugen gar Masken, um nach außen hin keinerlei Zugehörigkeit zu verraten, denn schließlich waren die Ritter eine überaus erlauchte Ansammlung edler Abstammung, und in ihren Adern floß außer dem blauen Blut ihrer Ahnen auch noch das älteste aller aristokratischen Laster: die Machtgier. Ihr kompliziertes Wahlsystem, das sich über die Jahrhunderte hinweg entwickelt hatte, machte diesen Wettbewerb nur noch um so hitziger.
    »Ist das überhaupt möglich?« fragte Ghislieri.
    »Das Wahlverfahren ist byzantinisch«, erklärte Ludovico. »Jede Zunge trifft sich in ihrer eigenen Kapelle und wählt einen Ritter aus, der sie vertritt. Diese acht wählen dann einen Wahlvorsteher und noch ein Triumvirat, das aus einem Ritter, einem Kaplan und einem Feldwebelbruder besteht, von denen jeder aus einer anderenZunge ist. Von diesem Zeitpunkt an nehmen der Vorsitzende und das ursprüngliche Konklave von acht nicht mehr weiter am Wahlverfahren teil. Das neu zusammengetretene Triumvirat wählt nun ein viertes Mitglied aus, diese vier ein fünftes, die fünf ein sechstes, die sechs ein siebtes und so weiter. Jedes Mitglied muß aus einer anderen Zunge stammen als das vor ihm gewählte, bis insgesamt sechzehn Mitglieder gewählt sind. Mindestens elf dieser sechzehn müssen Rechtsritter sein, aber keiner darf ein Großkreuzritter sein. Diese sechzehn dürfen dann endlich den Großmeister wählen, wobei der Vorsitzende im Falle eines Patts seine Stimme in die Waagschale werfen darf.«
    Ghislieri hörte aufmerksam zu und sagte dann: »Ein italienischer Großmeister wäre wunderbar. Ich habe in Rom schon so viele Wahlen manipuliert. Doch wenn ich diese unglaublichen Sicherheitsmaßnahmen bedenke … wie?«
    »Mit Eurem Segen«, erwiderte Ludovico, »habe ich die Absicht, ein Ritter des Ordens zu werden.«
    Ghislieri starrte ihn an.
    »Wenn ich erst einmal im Kloster bin«, fuhr Ludovico fort, »kann ich mich für den passenden Kandidaten einsetzen.«
    »Und wer sollte das sein?« erkundigte sich Ghislieri.
    »Ein hervorragender Soldat, den jede Zunge wegen seiner Führungseigenschaften im Krieg bewundert, und ein Mann, den Ihr selbst gut kennt.«
    »Pietro del Monte«, sagte Ghislieri.
    Ludovico nickte. Del Monte war Prior der italienischen Zunge und Admiral der Ordensflotte. Inzwischen war er fünfundsechzig Jahre alt und wurde an Ruhm von niemandem übertroffen.
    Ludovico fuhr fort. »Seine einzige Schwäche – sein Mangel an politischem Gespür – kommt uns sehr gelegen. Er wird sehr empfänglich sein für Eure – oder sollte ich sagen des Papstes – Bedürfnisse. Die anderen Zungen werden ihn als den am wenigsten unangenehmen Kandidaten empfinden, wenn denn schon ihrer nicht gewählt wird.«
    »Warum?« fragte Ghislieri.
    »Im Angesicht des Türken würde jeder Ordensbruder ohne Zögern sein Leben für die anderen opfern. Trotzdem fehlt es nicht an Rivalitäten zwischen den Zungen. Die Franzosen dominieren nun schon beinahe ein ganzes Jahrhundert den Orden. Das nehmen ihnen die Spanier, Katalonier und Portugiesen übel. Ein Franzose, de l’Isle Adam, hat Rhodos für den Orden verloren, und selbst La Valette hat so seine Katastrophen hinter sich: achtzehntausend Spanier in Jerba niedergemetzelt; die gescheiterte Befreiung von Tripolis; die schlimmste Niederlage seit Rhodos in Zoara. Französischer Verrat hatte ursprünglich zum Verlust von Tripolis geführt, und La Valette hat den Verräter Gaspard Vallier nicht nur freigelassen, sondern auch noch zum Landvogt von Largo ernannt. Selbst in Friedenszeiten haben die Franzosen und Spanier ihre kleinen Streitigkeiten, und niemals werden politische Zwistigkeiten mit größerer Schärfe ausgetragen als zu Kriegszeiten. Jedes Lager wird sofort Einwände gegen den Kandidaten des anderen Lagers vorbringen. Man muß nur Vernunft walten lassen und die richtigen Vergünstigungen verteilen, dann wird Del Monte der mögliche Erbe in Kriegszeiten.«
    »Wißt Ihr das mit Sicherheit?«
    »Die Ritter denken praktisch. Den Ausgang einer Schlacht kann niemand vorhersagen, und La Valettes Liebe zum Krieg übertrifft all seine anderen Leidenschaften. Die Legionen der Hölle könnten ihn nicht von den

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