Das Sakrament
von Scudi aus den Taschen der armen Bauern dafür verschwendet, seine prunkvolle Hauptstadt mit noch prächtigeren Bauten zur verschönern.
Nun war Medici alt und schwach. Er hatte sich damit, daß er die zweifache Bedrohung durch die Lutheraner und durch den Islam vernachlässigte, viele neue Feinde zugezogen. Unter seinen fanatischeren Gegnern murmelte man etwas von Meuchelmördern. Es war weithin bekannt, daß er für die Ordensritter vom heiligen Johannes in den gegenwärtigen Schwierigkeiten kaum mehr getan hatte, als ihnen lumpige zehntausend Scudi aus seinem vergoldeten Lavatorium zu schicken. In dieser Zeit fieberhafter politischer Aktivität war die tapfere Gegenwehr Maltas ein unausgesprochener Vorwurf an die päpstliche Trägheit. Nun war Medici verzweifelt darauf aus, als großer Helfer Maltas dazustehen. Dieses Bedürfnis gedachte Ludovico auszunutzen.
»Wie ist die Stimmung bei den Rittern?« fragte Ghislieri.
»Trotzig«, antwortete Ludovico.
»Können sie gewinnen?«
»Mit Gottes Hilfe glaubt La Valette es vielleicht zu schaffen.«
»Und Ihr?«
»Wenn sich die Ritter als so fanatisch erweisen wie ihre Worte, dann könnten sie siegen.«
»Der Orden und die Inquisition sollten natürliche Verbündete sein. Das Schwert und das Buch.« Ghislieri zupfte sich am Bart. »Und unter der Ägide eines geläuterten und neu belebten Vatikans …«
Rüde unterbrach Ludovico diese Träumerei. »La Valette traut niemandem außerhalb des Ordens.«
»Einschließlich des Medici?«
»Insbesondere Medici nicht. Monatelang ignoriert der nun schon La Valettes Botschafter.«
»Vertraut mir, Giovanni Medici wird dieses Jahr nicht überleben«, sagte Ghislieri.
Ludovico fragte sich, wie das sein könne. Um in die Fußstapfen des Menschenfischers zu treten, würde Ghislieri jeden einzelnen Kardinalshut im Konklave beseitigen müssen. Ghislieris Miene indes verbot ihm jegliche weitere Frage.
»Wenn der Nachfolger Seiner Heiligkeit« – und damit meinte Ghislieri sich selbst – »auf die politische Unterstützung des Ritterordens zählen könnte, eines siegreichen Ordens, dessen Ritter ganz Europa als Helden feiert, dann hätte er eine Macht, wie sie seit Generationen kein Papst genossen hat.«
Ludovico nickte. Alle Päpste wollten die Ordensritter vom heiligen Johannes unter ihre Kontrolle bringen – wegen ihrer militärischen Macht und ihres großartigen Rufes, wegen ihrer ungeheuren Ländereien und Reichtümer. Wenn der Vatikan die Zügel des Ritterordens in die Hand bekam, könnte er in seiner Macht wieder mit jedem großen Staat mithalten. Doch diese Krone hatte bisher noch kein Papst erringen können.
»Die Prinzen dieser Welt achten den Sieg noch mehr als die Reinheit des Blutes und sicherlich mehr als Frömmigkeit«, krächzte Ghislieri. »Wenn der Ritterorden überleben sollte, würde er alle drei Elemente in sich vereinen. Solche Botschafter, die durch ihr Blut bereits mit dem gesamten europäischen Hochadel verquickt sind, wären von unschätzbarem Vorteil.« Seine wäßrigen Augen schimmerten im Kerzenschein. »Wenn ich – wenn der Vatikan – eine Allianz mit den Ordensrittern eingehen und damit die italienischen Prinzen einen und die Gunst der Franzosen gewinnen könnte, dann wäre es uns möglich, die spanische Macht zu schlagen. Dann könnte Italien wie in vergangenen Zeiten sein Schicksal wieder selbst bestimmen.«
»Die Ritter haben nichts als Verachtung für die Streitereien der europäischen Mächte«, meinte Ludovico. »Sie leben nur für ihren Kampf gegen den Islam. Sie träumen noch immer von Jerusalem.«
»Und Ihr?«
»Ich träume von einem Italien, das von ausländischen Heeren befreit ist und von der Kirche regiert und geeint wird, genau wie Ihr. Solange aber La Valette dort herrscht, werdet Ihr die Ordensritter niemals als Verbündete gewinnen. Er ist zu sehr Franzose, dazu noch Gascogner.«
»Ihr habt Euch Gedanken über eine mögliche Lösung gemacht«, sagte Ghislieri.
»Wir müssen es bewerkstelligen, daß ein Italiener zum Großmeister der Ritter gewählt wird.«
Ghislieri runzelte die Stirn. Ludovico wußte, warum. Das Wahlverfahren für den Großmeister der Ordensritter war eines der kompliziertesten, das man je erdacht hatte, genial so angelegt, daß Außenstehende, insbesondere Rom, auf keinen Fall eingreifen konnten. Beim Tod eines Großmeisters mußte sein Nachfolger innerhalb von drei Tagen gewählt werden. Das allein sorgte dafür, daß nur die zu diesem Zeitpunkt
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