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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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machte er halt. Es war, als würden plötzlich alle Mauern raunen. Durch schmale Schächte fiel sanftes Licht auf einen steinernen Riegel, der seit siebenhundert Jahren nicht mehr bewegt worden war.
    Guntram kletterte an den Mauerfugen höher. Er erreichte einen staubigen Vorsprung. Ein paar Minuten lang ruhte er sich darauf aus. Er wartete, bis etwas mehr Licht auf den Steinriegel fiel. Zum erstenmal nach langer Zeit betete er wieder. Und als er »Amen« sagte, wußte er, daß er am Ziel war.
    Ein schmaler Steinfries lief unter dem Riegel an der großen Tür entlang. Guntram kletterte über eine Verzierung, dann stand er vor dem Letzten Siegel.
    Es trug die gleichen Symbole wie der versteinerte Mörtelblock am Abendzeichen. Guntram zog sein Hakenmesser aus dem Gürtel. Mit zwei, drei wuchtigen Hieben zerschlug er das morsche, brüchig gewordene Siegelband.
    Es staubte, als der Rest des Bandes durch eine steinerne Schlaufe am Türriegel glitt. Das Siegel fiel in den dunklen Teil des Labyrinths. Guntram hörte nur noch, wie es mit einem klirrenden Geräusch zersplitterte.
    Er betrachtete die mit Harz, Wachs und Pech konservierten Holzstifte im Verschluß der Steintür. In gewisser Weise erinnerten sie ihn an Meister Albrechts Haus.
    Zuerst versuchte er das Pythagoras-System.
    Dann die Zwölf-Zahl.
    Keiner der Holzknebel ließ sich bewegen.
    Guntram trat einen halben Schritt zurück. Was machte er jetzt falsch? Oder waren drei Logenmeister zum Öffnen der geheimen Tür erforderlich?
    Der Innere Altar !
    Guntram stellte sich vor den Riegel. Seine Finger tasteten über die staubigen, uralten Stifte. Er schloß die Augen und versuchte, ihre Anordnung zu verstehen. Im gleichen Augenblick empfand er eine neue Kraft in sich. Seine Fingerkuppen wirkten wie Magnetsteine. Er brauchte nur zu glauben, daß er es konnte ...
    Alchimie!
    Das geheime Wissen der Esoteriker und wahrhaft Eingeweihten!
    Die Möglichkeit, Materie und Energie so zu behandeln, daß Kraftfelder durch geometrische Anordnungen entstehen. Wer das verstand, konnte eine privilegierte Position im ganzen Universum einnehmen ...
    Die Stifte knarrten, als er sie mit den Fingerkuppen aus dem Steinriegel saugte. Sie klebten wie Eisenteile an seinen magnetisch wirkenden Händen. Er schleuderte sie nach unten.
    Dann war der Riegel frei.
    Guntram faßte ihn nicht an. Er hob die Hände, spreizte die Finger und strich mit langsamen Bewegungen durch die Luft vor dem Stein.
    Ich bin ein Logenmeister! dachte er dabei. Ich kann es!
    Der Riegel schabte Stein an Stein zurück.
    Guntram taumelte. Er war noch kein geübter Eingeweihter. Seine Knie zitterten vor Anstrengung. Er wollte sich ausruhen, doch da bewegte sich plötzlich die schwere Steintür in ihren Drehzapfen. Gleichzeitig empfand Guntram einen ziehenden Wind, der vom Inneren Altar ausging.
    Das Pneuma: Atem, Lebenskraft und Heiliger Geist zugleich! Amesha Spenta der Perser, Chi der Chinesen, Ka der Ägypter und Atman-Brahman! Die eigentliche Kraft, aus der alles kam und zu der alles zurückkehrte ...
    Noch vor wenigen Tagen hatte Guntram nichts von den großen Mysterien der Menschheit geahnt - vom Wissen um die Urmaterie, das Adam verlorenging, als er auch noch das Wesen der Weltseele erkennen wollte ...
    Erst der Gedankenkontakt mit Meister Wolfram und die Initiationsnacht mit Meister Albrecht hatten ihn zu einem Eingeweihten gemacht.
    Während die Steintür sich immer weiter öffnete, erinnerte sich Guntram an Namen von Weltlichen , die immer auf der Suche nach dem großen Geheimnis gewesen waren, das die Welt zusammenhielt - vom kleinsten Baustein bis zum Universum. Platon hatte ebenso zu ihnen gehört, wie Leibniz, Goethe und Herder.
    Aber auch sie hatten nie erfahren, warum die wahren Eingeweihten schweigen mußten!
    Als sich die Steintür zur Hälfte geöffnet hatte, fiel sanftes, blauweißes Licht auf Treppenstufen. Sie sahen so sauber und hell aus wie gestern erst behauen und verfugt.
    Guntram stieg nach oben. Er hatte bereits die ersten Stufen genommen, da fiel ihm auf, wie genau sie seiner Körpergröße angepaßt waren ...
    Er blieb verwundert stehen. Nie hätte einer seiner frühen Vorfahren über diese Treppe gehen können!
    Er kam an eine zweite Tür. Sie war nicht durch einen Riegel, sondern nur durch ein Siegel verschlossen. Guntram zögerte, dann brach er es auf. Es war viel kleiner als das erste Siegel.
    Diesmal öffnete sich nichts von selbst. Er drückte vorsichtig gegen die Tür. Sie ließ sich

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