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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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ziemlich verstört in die Küche von Meister Lamprechts Familie kam.
    Mathilda stand mit Lea und ein paar Mädchen am Herd. Sie kochten für zwei Familien und die Bankerts, die sich bei ihnen einquartiert hatten. Die meisten hockten auf Kissen und Decken in der Diele um ein kleines, qualmendes Lagerfeuer. Sie ließen Krüge und Becher mit Met und Bier kreisen.
    Ulf schlüpfte durch die Tür zum Garten. Er setzte sich neben Hanns und Dietleib.
    »Wo warst du denn die ganze Zeit?«
    »Ich habe mich draußen versteckt und Corvay belauscht. Wißt ihr, was sie Vorhaben?«
    Hanns und Dietleib schüttelten den Kopf.
    »Alle arbeitsfähigen Männer und Frauen der Seiler, Schmiede, Zimmerleute und Sammler sollen das Abendzeichen zumauern ...«
    »Das Abendzeichen ... zumauern?« wiederholte Dietleib verwirrt. »Aber warum denn?«
    »Damit der Weltliche den Zugang zum Sakriversum nicht mehr findet!«
    »Aber da reicht es doch, wenn ein Segment der Rosette verschlossen wird!« sagte Hanns. »Wir wissen, wie man Mörtel so hart macht, daß er nicht verwittert. Sonst wären doch in all den Jahren die Steinmetze der Weltlichen auch in die Nähe des Sakriversums gekommen ...«
    »Richtig! Aber es gibt noch einen anderen Grund«, sagte Ulf ernst. »Sie wollen, daß jahrelang am Abendzeichen gemauert wird. Das richtet sich nicht gegen uns. Wir wissen, daß von draußen nur Gefahren drohen. Aber die Bankerts müssen erst noch lernen, daß gemeinsame Furcht zu Gehorsam gegenüber den Gesetzen führt.«
    »Wir haben Corvay unterschätzt«, sagte Dietleib nach einer Weile.
    Hanns und Ulf nickten.
    »Sitzt da nicht rum!« rief Mathilda vom Herd her. Die Männer schraken zusammen. Mathilda wischte sich ein paar Locken aus der erhitzten Stirn. Sie kamen immer wieder unter ihrer Haube hervor.
    »Hol Wasser, Hanns! Aus der Leitung kommt nichts mehr. Und du, Dietleib, kannst dich, um ein paar neue Holzscheite kümmern!«
    Die beiden Männer standen sofort auf. Nur Ulf blieb sitzen. Er starrte auf die Tischplatte. Jemand hatte geometrische Kreise und Linien auf das Holz gezeichnet. Die Zeichnung wirkte verwischt und stimmte an einigen Stellen nicht. Trotzdem erkannte Ulf sofort eine Art Querschnitt durch das Sakriversum. Nur oben, wo die Teufelsmauer war, entdeckte er Linien und Winkel, von denen er selbst nichts wußte.
    Durch die Küche zog ein Geruch von Sauergesottenem mit frischen Kräutern und Gemüse.
    Zwei Frauen kamen mit einem großen Brett frisch gebackener Brotlaibe durch die hintere Küchentür.
    »Es ist nicht so, wie es sein sollte«, sagte eine von ihnen. »Meister Heinrichs Familie hat nicht genügend Sauerteig.«
    Ein paar Kinder drängten sich um das Brot. Sie wurden zu den anderen in den Garten geschickt. Während die Frauen und Mädchen bei ihrer gewohnten Arbeit schwatzten und lachten, wich langsam die Erinnerung an die furchtbaren Tage. Einige fingen bereits leise an zu singen.
    Dabei fiel Ulf wieder ein, was Agnes erzählt hatte. Sie und Guntram waren allein in Meister Lamprechts Haus gewesen, als die anderen das Sakriversum noch nicht erreicht hatten.
    Dann konnte diese Zeichnung nur von Guntram stammen!
    Er lächelte, denn jetzt wurde ihm klar, was Guntram in der Nacht des Todes von Meister Albrecht im Buch-Heim erfahren haben mußte.
    Ulf stand auf. Er ging zu den geöffneten Fenstern an der Schmalseite der Küche. Draußen spielten die Kinder von drei Familien. Agnes und Nancy paßten auf sie auf.
    Ulf blickte über die Gärten zum dunkleren Teil des Sakriversums hinauf. Dort irgendwo mußte Guntram sein.
    Er wurde durch laute Rufe und Befehle von der Straße her aus seinen Gedanken gerissen. Dann hörte er das Hufeklappem des Mulis. Dumpfe, dröhnende Paukenschläge hallten durch das Dorf. Jemand faßte ihn von hinten an die Schulter.
    »Bist du Sammler?«
    »Nein, Alchimist.«
    Ulf drehte sich um. Vor ihm stand Bronco, der Artist.
    »Ihr seht euch alle so ähnlich. Du wohnst in diesem Haus, also mußt du ein Sammler sein. Kommt mit! Befehl von König Corvay!«
    »Das Essen ist gleich fertig«, rief Mathilda. »Nehmt schon mal Messer und formt euch Löffel aus den Brotkrusten ...«
    »Keine Zeit!« antwortete Bronco. Er schob Ulf vor sich her durch die Diele und den verwilderten Vorgarten. Auf der Straße hatten sich bereits eine Menge Leute versammelt.
    »Hector!« rief Corvay laut. »Du führst unsere Gruppe an. Paßt auf, daß euch kein Schander entwischt. Und jetzt an die Arbeit!«
    *
    Einige Zeit vorher, noch

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