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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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Berater auf ein Zeichen von ihm warteten. Er strich sich durch seinen dichten Bart.
    »Was soll ich tun?« fragte er flüsternd den Arzt Galus.
    »Sei unser König!« antwortete Corvays weisester Berater sibyllinisch. Nacheinander sah der König der Bankerts die Männer an, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen auf seine Seite gestellt hatten.
    Galus war ein schmächtiger, oft asthmatisch hustender Gelehrter, der unter den Weltlichen keine Woche überlebt hätte. Ein intelligenter Einsiedler, der sich vor Menschenmassen fürchtete.
    Hector hatte lange Zeit im Schmutz hinter den Kulissen verkommener Provinzbühnen gelebt. In seiner besten Zeit war er Spitzenmann einer Truppe von Ringern und Bodenturnern gewesen, aber das mußte schon viele Jahre her sein ...
    Ein weiterer Berater Corvays sah wie ein drogensüchtiger Advokat aus. Menennery Luck trug einen zerschlissenen schwarzen Umhang, einen spitzen Hut mit breiter Krempe und ein Sammelsurium von Taschen, die an schmalen Riemen kreuz und quer über seinem Oberkörper hingen. Nur wenige Bankerts wußten, daß der Professor mit der messerscharfen Nase einmal Präsidentenberater gewesen war.
    Die restlichen Figuren aus Corvays engerer Begleitung bildeten eine bunte Mischung aus Leibwächtern, Zirkusleuten und mißlungenen Laborzüchtungen.
    »Wenn hier nichts ist und dort nichts ist, wird es wohl besser sein, beizeiten nach einem Schlupfloch Ausschau zu halten«, sagte Menennery Luck.
    »Vielleicht haben sie oben noch Vorräte«, meinte Hector naiv.
    Galus blickte auf.
    »Das wäre eine Möglichkeit.« Er nickte nachdenklich.
    Corvay hob die Brauen. Der Gesang der Schander verstummte.
    »Ich will verdammt sein, wenn die Flammenzeichen an der Wand dort drüben etwas anderes sind als eine Projektion aus Rolands Testament ...«
    Galus rieb sich die Nase. Er starrte auf die langsam schwächer leuchtenden Linien, Striche und Symbole an der gegenüberliegenden Seite der Gruft. Unbemerkt griff Corvay an die Medaillen seiner Halskette. Nur Galus sah es.
    »Die zweite Hälfte«, flüsterte er mit glänzenden Augen. »Einer der Clan-Chefs muß die zweite Hälfte des geheimen Testaments bei sich haben! Ich habe es gewußt ... ich habe es immer gewußt in all den Jahren ...«
    Corvay hustete. Er wollte nicht, daß andere erfuhren, was außer ihm und Galus nur noch wenige wußten. Denn nicht das Sakriversum, sondern das, was in ihm verborgen war, bildete das eigentliche Ziel von Llewellyn Corvays lange vorbereitetem Plan. Doch dann waren Ereignisse eingetreten, mit denen nicht einmal Computer gerechnet hatten ...
    Llewellyn und seine Begleiter wollten einer uralten Legende auf den Grund gehen. Nur, weil sie wußten, daß sie es allein nicht schaffen konnten, hatten sie Bankerts und Nachkommen von Gnomen , Zwergen, Heinzelmännchen und Lilliputanern aus aller Welt zusammengetrommelt.
    Ursprünglich war es ihre Absicht gewesen, die Schander in ihrem jahrhundertelang getarnten Lebensraum unter dem Bleidach der Kathedrale zu überfallen, um ihnen die letzten Geheimnisse zu entreißen.
    Corvay hatte gehofft, durch allerlei magischen Mumpitz einen Baustein nach dem anderen zu entdecken. In seinem Plan waren Verbrüderungsfeiern und Orgien vorgesehen gewesen. Das hätte die erste Phase sein sollen. Die nächste wäre die weltweite Verbreitung der Sensationsmeldung gewesen - mit allen Rechten und Ansprüchen, die sich daraus ergaben ...
    In den ersten Tagen hatten weder Corvay noch seine Berater begriffen, was wirklich geschehen war. Erst als Männer und Frauen, die vorher ein Leben wie die Weltlichen geführt hatten, das ganze Ausmaß der Katastrophe erkannten, fraß sich der Schock der Erkenntnis in die Seelen der verstörten Bankerts.
    Sie begriffen, daß sie nicht mehr zurück konnten. Als Gefangene der Kathedrale waren sie auf Gedeih und Verderb Corvay und seiner Bande ausgeliefert. Aus dem erwarteten Spektakel war eine Tragödie geworden. Einige hatten trotzdem versucht zu fliehen. Als sie zurückkehrten, starben sie qualvoll an den Folgen der Neutronenseuche, die alles Leben draußen vernichtet hatte.
    Und Corvay mußte seine Rolle als König der Mißratenen weiterspielen, ob er nun wollte oder nicht!
    Als das Flammenzeichen an der Wand der Gruft erlosch, senkte sich ein zierlicher Korbsessel von der obersten Tischebene nach unten. Er hing an drei dünnen Seilen, zwischen denen ein ehemals weißes Tuch gespannt war.
    »Ein Verhandlungsangebot«, sagte Galus.
    Nancy, Jan und

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