Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Außerdem sollen wir ihm vor der ganzen Stadt die Treue schwören und bei den Gebeinen des heiligen Jacques geloben, niemals seine Macht und seinen alleinigen Herrschaftsanspruch infrage zu stellen. Im Gegenzug will er de Guillory zurückpfeifen und die Fehde beenden.«
»Also gibt er zu, dass er mit ihm unter einer Decke steckt?«, wollte Michel wissen.
»Das habe ich auch gefragt«, meinte Fabre. »Géroux wollte mir keine Antwort geben. Aber bestritten hat er es auch nicht.«
»Ulman hat noch eine Forderung«, sagte Catherine. »Er will, dass wir Euch aus der Gilde ausschließen.«
»Wieso überrascht mich das nicht?« Michel blickte in die Runde. »Was denkt Ihr über Ulmans Angebot?«
»Wir halten es für eine Unverschämtheit«, antwortete Duval. »Sonst hätten wir Euch kaum davon erzählt, nicht wahr? Leider denken nicht alle wie wir. D’Alsace und Baffour konnten Géroux gar nicht schnell genug ihre Unterstützung zusichern.«
»Baffour wollte sich doch erst letzte Woche Gaspard anschließen.«
»Ihr wisst doch, wie er ist«, sagte Carbonel. »Er würde jedem nachlaufen, der ihm Versprechungen macht. Kein Rückgrat, dieser Kerl.«
»Was ist mit Melville?«, fragte Michel.
Catherine und Duval wechselten einen Blick. »Er hat sich von Géroux Bedenkzeit erbeten«, antwortete die Kauffrau.
»Na großartig.«
»Ihr müsst Pierre verstehen«, sagte Catherine. »Er hat viel mitgemacht in den letzten Wochen, und seine Gesundheit ist angeschlagen. Er wünscht sich einfach Frieden. Ich werde mit ihm reden. Gewiss kann ich ihn zur Vernunft bringen.«
Michel trommelte mit den Fingern auf dem Tisch. Wenn die Schwurbrüder jetzt einen neuen Gildemeister wählen müssten, käme Géroux auf sieben Stimmen, Michel nur noch auf fünf – sechs, wenn Catherine Melville überzeugen konnte. Es wurde eng für ihn, verdammt eng. Vermutlich hielt nur ein Passus in den Gildenstatuten Géroux davon ab, ihn schon heute zu stürzen. »Wie lange muss ein Gildemeister im Amt sein, bevor ein Rivale eine Neuwahl erzwingen darf?«
»Neun Monate«, antwortete Carbonel. »So soll verhindert werden, dass es ständig Machtkämpfe und Kampfabstimmungen gibt.«
Neun Monate. Also konnte Géroux ihn ab Mai herausfordern – in knapp zwei Monaten. Michel holte Pergament, Tinte und Federkiel, schrieb eine kurze Nachricht und rief nach Louis. »Bring das Jaufré Géroux«, wies er den jungen Knecht an.
»Was habt Ihr vor?«, fragte Catherine, als Louis mit der Nachricht davoneilte.
»Ich werde etwas tun, auf das ich mich schon seit Monaten freue«, knurrte Michel.
Eine Stunde später saß er in seiner Amtsstube in der Gildehalle und wartete. Géroux ließ sich Zeit. Eine ganze Weile, nachdem die Klosterglocken zur None gerufen hatten, tauchte der Sklavenhändler auf. Er hatte zwei bewaffnete Knechte mitgebracht. Yves und Gérard, die im Versammlungssaal saßen, beäugten die beiden Männer argwöhnisch.
»Was wollt Ihr von mir?«, fragte Géroux barsch, als er vor den Schreibtisch trat.
Michel legte die Hand auf ein Bündel Pergamente. »Ich nehme an, Ihr wisst, was das ist? Die Ergänzungen zu den Gildestatuten«, fuhr er fort, als ihm der Münzmeister keine Antwort gab. »In den letzten zweihundert Jahren von den Schwurbrüdern beschlossen und genauso bindend wie die Statuten selbst.«
»Das ist mir bekannt. Habt Ihr mich gerufen, um mir einen Vortrag über die Historie der Gilde zu halten?«
»Keineswegs. Ich möchte Eure Aufmerksamkeit auf einen Beschluss aus dem Jahre 1117 lenken, niedergeschrieben von einem gewissen Varocher de Brette, möglicherweise der Großvater Eures geschätzten Freundes Guibert.« Michel zog das entsprechende Pergament aus dem Bündel. »Bitte, lest.«
Als ihn Géroux lediglich finster anblickte, erklärte er: »Der verblichene Varocher schreibt, ausschließlich der Vorsteher der Gilde dürfe im Namen der Schwurbrüder Absprachen mit dem Bischof und anderen Vertretern der städtischen Obrigkeit treffen, keinesfalls ein einfaches Mitglied. Eine überwältigende Mehrheit von fünfzehn zu zwei Stimmen hat dies beschlossen, am dritten Tage nach Allerheiligen vor nunmehr einundsiebzig Jahren.«
»Und weiter?«, schnarrte der Sklavenhändler.
»Mir ist zu Ohren gekommen, dass Ihr eigenmächtig mit Bischof Ulman über die Zukunft der Gilde verhandelt habt. Dabei seid Ihr schon seit einer ganzen Weile kein Gildemeister mehr. Gewiss, Ihr seid nicht mehr der Jüngste, aber ist Euer Gedächtnis wirklich
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