Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Nach einem Gespräch mit Herrschaften von der Gilde fühle ich mich stets beschmutzt.«
Mühsam bezwang Michel seinen Ärger. »Die Gilde fordert Euch auf, endlich die Stadtmauer zu erneuern.«
»Ach? Warum sollte ich das tun?«
»Wenn die Mauer nicht in einem solch lausigen Zustand wäre, könnte de Guillory uns nicht Nacht für Nacht überfallen. Das muss endlich aufhören.«
»Von ›Nacht für Nacht‹ kann kaum die Rede sein«, sagte der Bischof und legte das Kruzifix und den Lappen auf den Tisch. »Wenn ich richtig informiert bin, lässt er Euch seit fast zwei Wochen in Ruhe.«
»Weil ihm das Fehderecht Gewalt während der Weihnachtszeit verbietet. Aber das neue Jahr war noch keine drei Tage alt, als er wieder zugeschlagen hat. Vorgestern Nacht sind seine Männer in Raymond Fabres Schmiede eingebrochen und haben zwei Lehrlinge verletzt, Geld und Waffen gestohlen und die Werkstatt verwüstet.«
»Tatsächlich? Der Schultheiß muss vergessen haben, mir diesen Vorfall zu melden.«
»Erneuert die Stadtmauer, damit sie Varennes endlich den Schutz bietet, den die Bürger verdienen.«
»Wisst Ihr, was solch ein Bauvorhaben kostet?«, fragte Ulman. »Viele hundert oder gar tausend Pfund. Eine neue Stadtmauer gibt es erst dann, wenn das Bistum finanziell dazu in der Lage ist. Und das ist es frühestens in einem Jahr, vorausgesetzt, die Steuern fließen weiterhin.«
»Wenn Ihr nicht willens oder imstande seid, die Kosten zu tragen, gestattet der Gilde, die Mauer zu erneuern.« Aus den Augenwinkeln sah Michel, dass Namus mit zwei Palastwachen auf dem Korridor erschien.
»Ich soll freiwillig auf ein Regal verzichten, das einst Kaiser Heinrich der Diözese verliehen hat? Ich denke nicht daran, Herr Gildemeister. Allein der Bischof baut in Varennes Wehranlagen – niemand sonst. Schon gar nicht die Kaufleute.« Ulman fuhr fort, sein Kreuz zu polieren, und kniff konzentriert die Augen zusammen. »Ihr habt Euch diesen törichten Zwist mit de Guillory selbst zuzuschreiben. Also seht zu, wie Ihr ohne mich damit fertigwerdet.«
»Ihr habt ihn doch zu dieser Fehde angestiftet«, sagte Michel. »Weil Ihr hofft, dass er uns vernichtet.«
»Das ist lächerlich. Ich will solche dreisten Lügen nicht mehr in meinem Haus hören. Namus, geleite Herrn de Fleury und seine Raufbolde bitte hinaus.«
Die beiden Palastwachen nahmen Michel in die Mitte und führten ihn, Yves und Gérard höflich, aber bestimmt zur Tür.
In den nächsten Tagen heuerte Michel in der Unterstadt weitere Söldner an, bis er schließlich niemanden mehr fand, der bereit war, für die Gilde sein Leben zu riskieren. Um die Schwurbrüder und ihre Hausbedienten zu schonen, ließ er nur noch die Lohnkämpfer nachts auf Wache gehen. Die Männer machten ihre Sache gut; trotzdem gelang es de Guillory und seinen Kriegsknechten immer wieder, unbemerkt an ihnen vorbeizuschlüpfen und zu plündern, zu brandschatzen und Angst und Schrecken zu verbreiten – auch dann noch, als Michel die Wachen verdoppelte. Mehrere Kaufleute, darunter Charles Duval, wurden bei nächtlichen Scharmützeln leicht verletzt. Einmal drang Berengar mit vier Männern in Catherines Haus ein. Einer ihrer Knechte wurde erschlagen, eine Magd geschändet. Catherine konnte sich im letzten Moment retten, indem sie sich auf dem Dachboden versteckte.
Ende Januar traf Michel eine Entscheidung und ritt zu Nicolas de Bézenne. Der Ritter führte ihn in die Halle seines Gutes, wo sie sich ans Kaminfeuer setzten.
»Ich habe gehört, de Guillory setzt Euch ganz schön zu«, sagte der Ritter, während er zwei Kelche füllte, Kräuter in den Wein streute und einen Michel reichte.
»Wir sind allmählich mit unseren Kräften am Ende. Wir haben einfach nicht genug Männer, um unsere Besitztümer vor ihm zu schützen.«
Das speckige Holz der Bank knarrte, als de Bézenne sich setzte. Er war ein mittelgroßer, zur Rundlichkeit neigender Mann, dessen Bart silberne Strähnen aufwies, wodurch er recht grimmig wirkte. Doch der Anschein täuschte: Michel hatte Nicolas als einen zwar knurrigen, aber leutseligen Zeitgenossen kennengelernt. »Er greift Euch nachts an, weil er genau weiß, dass er die Gilde in einer ehrlichen Schlacht nicht schlagen kann. Das Gefecht an der Brücke war ihm eine Lehre – so viele Männer will er nicht noch einmal verlieren. Im Grunde steckt nichts als Feigheit dahinter. Dieser Mann ist ein Schweinehund, der vor keiner Hinterlist zurückschreckt.«
»Leider ein erfolgreicher
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