Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Jean auch noch bei diesem Irrsinn mitmachen. Bei Gott, ich habe ihn wirklich für klüger gehalten.«
Isabelle schlüpfte in ihr Untergewand und setzte sich zu ihm. »Warte ein paar Tage, und dann rede noch einmal mit ihm. Wenn sich der allgemeine Freudentaumel gelegt hat, kommt er sicher zur Vernunft.«
»Hoffen wir, dass du recht hast«, murmelte er.
»Ich habe nachgedacht«, sagte sie nach einer Weile. »Ich glaube, ich weiß, wie du die Fehde beenden kannst, ohne dass ihr euch de Guillory beugen müsst.«
Überrascht blickte Michel sie an.
»Du weißt, ich halte diesen Kreuzzug für genauso töricht wie du. Aber wenn du ihn schon nicht verhindern kannst, kannst du ihn dir wenigstens zunutze machen.«
»Wie?«
»De Guillory ist zu stark für die Gilde. Was ihr braucht, ist ein mächtiger Verbündeter.«
Schweigend hörte Michel zu, wie Isabelle ihren Einfall schilderte.
April 1188
V ARENNES -S AINT -J ACQUES
A nfang April, an einem sonnigen und zugleich windigen Tag, der der Launenhaftigkeit dieses Monats alle Ehre machte, traf sich Michel mit seinen verbliebenen Anhängern in seinem Haus. Bei einem Becher Wein besprachen sie ihre Lage.
»Es ist ganz einfach – wir brauchen mehr Geld«, sagte Raymond Fabre. »Wenn wir nicht jeden Sou zweimal umdrehen müssten, könnten wir mehr Söldner anwerben. De Bézenne müsste sich nicht mehr in der Stadt verschanzen, sondern könnte endlich zum Angriff übergehen und de Guillorys Güter verwüsten. Wenn zwei, drei seiner Bauernhöfe in Flammen aufgingen, verlöre de Guillory ganz schnell die Lust an seiner Fehde.«
»Mehr Geld«, schnaubte Pierre Melville. »Ein großartiger Vorschlag. Geradezu brillant. Noch besser wäre es, wenn einer von uns Herzog von Oberlothringen wäre. Dann könnte er de Guillory, Bischof Ulman und jeden, der uns nicht passt, aus dem Land jagen, und paff! « – er klatschte in die Hände – »wären wir alle Sorgen los.«
Es war nicht die erste Bemerkung dieser Art, die Melville machte – seit er da war, verbreitete er feindselige Stimmung. Catherine versicherte zwar, sie habe ihn davon abgehalten, sich Géroux anzuschließen; Michel spürte jedoch, dass Melvilles Loyalität zu ihnen am seidenen Faden hing. Der Kaufmann war sichtlich von Krankheit und Fieber geschwächt und hatte keine Kraft mehr. Wenn sich ihr Schicksal nicht in den kommenden Tagen wendete, würden sie ihn als Freund und Unterstützer verlieren.
»Was soll das?«, erwiderte Fabre gereizt. »Jetzt ist nicht der richtige Augenblick für alberne Scherze.«
»Für schwachsinnige Vorschläge genauso wenig!«, fuhr Melville ihn an. »Mit diesem Unfug von mehr Geld vergeudet Ihr nur unsere Zeit.«
»Wenigstens mache ich Vorschläge«, knurrte der Schmiedemeister, »anstatt nur dazusitzen und Wein zu schlürfen, wie gewisse andere Leute.«
»Hört auf damit. Das bringt uns nicht weiter«, mischte sich Catherine Partenay ein. »Dass mehr Geld die Lösung für einen beträchtlichen Teil unserer Sorgen wäre, ist, glaube ich, allen klar, Raymond. Leider können wir keines herzaubern. Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber mein Vermögen schmilzt rasant dahin. Wenn ich nicht bald wieder Handel treiben kann, muss ich an meine eisernen Reserven gehen oder einen Teil meines Besitzes verkaufen.«
Aus den bedrückten Mienen der anwesenden Kaufleute schloss Michel, dass sie sich in einer ganz ähnlichen Situation befanden. Bei ihm selbst sah es nicht besser aus: Das Geld, das er im vergangenen Jahr verdient hatte, reichte höchstens noch für zwei, drei Monate.
»Leider haben wir kaum noch Möglichkeiten, unsere Ausgaben zu verringern«, sagte Charles Duval. »Der Brückenbau ruht bereits, und die Steinmetze und Zimmerleute haben sich anderswo Arbeit gesucht, bis die Fehde zu Ende ist. Wir können allenfalls den Dreckmeister entlassen und die Brunnenreinigung aussetzen, aber das bringt uns keine fünfzig Deniers in der Woche.«
»Wir müssten eine Möglichkeit haben, von den Bürgern und Handwerksbruderschaften Steuern zu erheben«, warf Fabre ein. »Immerhin kämpfen wir auch für sie. Es wäre nur gerecht, wenn sie einen Beitrag zur Verteidigung Varennes’ leisteten.«
Melville holte Luft, um den Schmied abermals zu attackieren. Rasch sagte Michel: »Ich fürchte, wir können die Fehde nicht gewinnen, ganz egal, was wir tun. Selbst wenn wir de Guillory besiegen, wird unser Kampf nicht zu Ende sein. Bischof Ulman wird nicht eher ruhen, als bis er die Gilde entmachtet
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