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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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und einem schweren Riegel verstärkt. Die Männer mussten eine Ramme oder etwas Ähnliches benutzt haben.
    Während der Arbeit beobachtete Jean die ausgelassenen Menschen auf dem Domplatz. »Glaubst du, Barbarossa wird es schaffen, Jerusalem zurückzuerobern?«
    »Abwarten.« Michel griff nach dem Besen und fegte die Hobelspäne zusammen. »Vielleicht kommt es überhaupt nicht zu einem Kreuzzug. Barbarossa ist ein alter Mann, vergiss das nicht. Wenn er morgen stirbt, muss sich der Papst einen anderen Heerführer suchen.«
    »Barbarossa wird nicht sterben«, erwiderte Jean. »Wie kannst du so etwas sagen?«
    »Was erwartest du? Dass er ewig lebt, nur weil er der Kaiser ist? Es heißt, er sei fast siebzig Jahre alt. Wie viele Männer kennst du, die so alt sind, abgesehen von Abaëlard? Ich sage dir, in spätestens drei, vier Jahren haben wir einen neuen Kaiser, ob es uns passt oder nicht.«
    »Ich glaube, er wird es schaffen«, sagte Jean unbeirrt. »Er will die größte Streitmacht aufstellen, die die Christenheit je gesehen hat. Er wird Saladin und die Sarazenen zum Teufel jagen, ganz egal, wie alt er ist.«
    »Das werden wir ja sehen. Können wir jetzt endlich die Tür einsetzen?«
    Jean machte keine Anstalten mit anzupacken. »So ein Kreuzzug muss großartig sein. Tausende Ritter und Krieger, die in die Fremde aufbrechen, vereint im Glauben. Eine riesige Armee. Stell dir das vor.«
    »O ja«, meinte Michel missmutig. »So eine Heerfahrt ist wundervoll. Stinkende Latrinengräben. Jeder zweite hat die Ruhr. Überall Huren. Und erst das Gemetzel, wenn sie auf die Sarazenen treffen. Großartig, wirklich.«
    Sein Bruder warf ihm einen finsteren Blick zu. »Wieso musst du immer alles in den Dreck ziehen? Ein Kreuzzug ist eine gute Sache. Er ist heilig.«
    »Er ist ein Krieg wie jeder andere. Und Kriege sind töricht, gleichgültig, warum sie geführt werden. Jetzt genug davon.«
    »Ich wünschte, ich könnte mich Barbarossa anschließen«, sagte Jean.
    Michel blickte ihn ungläubig an. »Das meinst du nicht ernst.«
    »Bei der Fehde habe ich gelernt, wie man kämpft. Und ich bin gut, das musst du zugeben. Ich habe zwei Kriegsknechte erschlagen. Ich wäre Barbarossa bestimmt eine Hilfe. Und ich würde endlich etwas von der Welt sehen.«
    »Aber du siehst doch etwas von der Welt. Wir sind ständig auf Reisen. Mindestens dreimal im Jahr sind wir in der Champagne oder in Burgund.«
    »Das ist etwas anderes. Dort bin ich nur dein Gehilfe. Auf dem Kreuzzug könnte ich endlich selbst große Taten vollbringen.«
    »Du bist mehr als mein Gehilfe, das weißt du genau«, sagte Michel unwirsch. »Und jetzt will ich nichts mehr von diesem Unfug hören, hast du verstanden?«
    »Natürlich, für dich ist das Unfug. Du bist ja auch der große Kaufmann und Redner, dem immer alle an den Lippen hängen. Und was ist mit den anderen, die nicht mit solchen Gaben gesegnet sind? Wir können sehen, wo wir bleiben, was?« Jean knallte den Hobel auf die Kiste und stürmte hinein.
    Michel war so überrumpelt von dem Wutausbruch seines Bruders, dass er nur dastehen und ihm nachstarren konnte. Er hatte immer gedacht, Jean wäre zufrieden mit seinem Leben. Aber vielleicht hatte er sich durch die Fehde verändert. Michel hatte durchaus bemerkt, dass sein Bruder die Scharmützel mit de Guillorys Soldaten genoss. Er fand keinen Gefallen am Töten, doch das Risiko, die Gefahr zogen ihn magisch an.
    Michel versuchte mit Jean zu reden, doch sein Bruder ging ihm für den Rest des Tages aus dem Weg. So wütend hatte Michel ihn noch nie erlebt.
    Gegen Abend traf er sich mit Isabelle in der Herberge am Nordtor. Die Leute feierten noch immer und waren inzwischen zum größten Teil betrunken; grölend zogen sie durch die Gassen und sangen Spottlieder auf die Sarazenen. Nachdem sie sich geliebt hatten, saß Michel am Fenster und beobachtete das Treiben auf der Grande Rue.
    »Schau sie dir an. Barbarossa wird Tausende Christen in den Tod schicken, und sie tanzen und singen. Sie glauben wirklich, ihr geliebter Kaiser könnte Saladin bezwingen. Beim heiligen Jacques, wo waren diese Leute in den letzten vierzig Jahren? Haben sie vergessen, was in Edessa und Damaskus geschehen ist? Und letzten Sommer in Hattin? Die Zeiten, da wir die Sarazenen mir nichts, dir nichts überrumpeln konnten, sind vorbei. Sie sind viel zu stark. Die Kreuzfahrerstaaten können sich allenfalls noch zwanzig, dreißig Jahre halten. Daran kann selbst Barbarossa nichts ändern. Und jetzt will

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