Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Schweinehund. Wenn das so weitergeht, wird es nicht mehr lange dauern, bis meine Schwurbrüder den Mut verlieren.« Seit zwei Wochen spürte Michel, dass sich die Stimmung in der Gilde allmählich gegen ihn wendete. Besonders Gaspard machte sich seinen schwindenden Rückhalt bei den Schwurbrüdern zunutze, indem er ihn umso verbissener attackierte und ihm vorwarf, nicht genug für die Verteidigung der Kaufleute zu tun. Inzwischen fand er mit seinen Ansichten nicht mehr nur bei Baudouin, Pérouse und Vanchelle Gehör. Auch der gebeutelte Fromony Baffour, der bei jeder Zusammenkunft mit tränenschwerer Stimme sein Schicksal beklagte, dachte laut darüber nach, zu ihm überzulaufen.
»Heuert mehr Männer an«, sagte de Bézenne.
Michel nickte. »Deshalb bin ich hier. Tretet in unsere Dienste, Nicolas. Ihr seid ein schlachtenerprobter Ritter und könnt zwanzig Männer ins Feld führen. Obendrein habt Ihr Erfahrung im Kampf gegen de Guillory. Mit Eurer Hilfe können wir es schaffen, ihn zu schlagen.«
Der Ritter ließ den Wein in seinem Kelch kreisen. »Mein Schwert gibt es nicht umsonst.«
»Natürlich. Sagt, was Ihr verlangt.«
De Bézenne zögerte noch immer. Er stand auf und ging vor dem Kamin umher. »Ich weiß nicht. Ich habe schon zu oft gegen diesen Kerl gekämpft. Ich bin es leid.«
»Diesmal wärt Ihr nicht allein. Ihr hättet die Gelegenheit, ihm einen Schlag zu versetzen, von dem er sich nicht so bald erholt. Die Gilde bietet für jeden Eurer Männer vier Deniers am Tag, und für Euch das Dreifache. Macht zwei Pfund vierzehn Sous in der Woche und elfeinhalb im Monat. Ist das ein Angebot?«
Für einen Ritter mit einem kleinen Gut war das eine stolze Summe. Michel konnte sehen, wie es in de Bézennes Gesicht arbeitete.
»Bitte, Nicolas. Wir brauchen Euch.«
»Dreizehn im Monat, und ich mache es.«
Damit würde Michel die Gildekasse bis zum Äußersten strapazieren. Doch er hatte keine Wahl. Söldner aus Metz oder Nancy wären noch teurer und nicht halb so verlässlich wie de Bézenne. »Einverstanden.«
Er erhob sich, und im Schein des Kaminfeuers reichten sie einander die Hand.
Februar und März 1188
V ARENNES -S AINT -J ACQUES
A ls de Bézenne sich der Gilde anschloss, besserte sich die Lage in der Stadt. Die neuen und kampferfahrenen Männer in den Straßen erschwerten es de Guillory, aus dem Hinterhalt zuzuschlagen. Sie stellten die feindlichen Kriegsknechte zum Kampf, erschlugen zwei und nahmen drei weitere gefangen – eine schwere Schlappe für de Guillory, der bereits ein Dutzend Männer verloren hatte. Doch auch Nicolas schaffte es nicht, die nächtlichen Überfälle gänzlich zu unterbinden – zu geschickt, zu gerissen war sein Widersacher. Und so brannten auch im Februar zwei Lagerschuppen und ein Kornspeicher nieder, wurden weiter Vieh, Getreide und andere kostbare Waren geraubt.
Zudem stieß die Gilde Anfang März an ihre finanziellen Grenzen. Als die Truhen in der Gildehalle leer waren, blieb Michel und seinen Schwurbrüdern nichts anderes übrig, als den Brückenbau vorerst zu unterbrechen und de Bézenne und die übrigen Söldner aus der eigenen Tasche zu bezahlen. Einkünfte hatten sie dagegen kaum welche, denn solange die Fehde tobte, wagte kein Kaufmann, außerhalb der Stadt Geschäfte zu machen, aus Angst, überfallen und ausgeraubt zu werden. Der Salzhandel war schon im vergangenen Jahr zum Erliegen gekommen, denn de Guillory hatte die Brücke abgeriegelt. Selbstverständlich galt die Sperre nur für jene Kaufleute, die sich an der Fehde beteiligten. Auswärtige Händler und Bischof Ulmans Ministerialen ließ er unbehelligt passieren.
Pierre Melville war der Einzige, der sich von alldem nicht einschüchtern ließ. Eine Woche nach Aschermittwoch deckte er sich bei den hiesigen Handwerkern und Stadtbauern mit Waren ein und bereitete eine Handelsreise nach Bar-sur-Aube vor. Als Michel davon erfuhr, besuchte er seinen Freund und versuchte, ihm das Vorhaben auszureden.
»Dass es gefährlich ist, weiß ich selbst«, entgegnete Melville. »Sagt mir, was ich stattdessen tun soll. Ich habe seit Wochen kaum einen Sou verdient, während diese verdammte Fehde immer teurer wird. Soll ich hier herumsitzen und darauf warten, dass man mich ruiniert wie den armen Baffour?«
»Das beste Geschäft wird Euch nichts nutzen, wenn de Guillory Euch draußen in der Wildnis den Schädel einschlägt.«
»Dann habe ich es wenigstens versucht.« Damit war das Gespräch beendet. Unwirsch
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