Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
nicht einweihen«, erwiderte Michel.
»Wieso nicht?«
»Die Ministerialen würden sofort zum Bischof laufen, woraufhin Ulman alles daransetzen würde, den Plan zu durchkreuzen. Und Baffour und d’Alsace würden Géroux davon erzählen, was auf dasselbe hinausliefe.«
»Und Caron?«, fragte Catherine. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er uns an Géroux oder den Bischof verriete.«
»Das glaube ich auch nicht«, sagte Michel. »Aber er wird uns kein Geld geben, und wenn wir ihn auf Knien darum bitten. Er würde lieber tot umfallen, als einer Idee von mir zum Erfolg zu verhelfen.«
Fabre hatte die mächtigen, funkenverbrannten Arme vor der Brust verschränkt. »Ihr verlangt also von uns, dass wir für etwas bezahlen, von dem auch unsere Feinde profitieren, ohne dass sie dafür einen roten Heller geben müssen.«
»Ich will euch nichts vormachen.« Michel blickte in die Runde. »Genau darauf läuft es hinaus. Leider haben wir keine andere Wahl. Wenn wir den Plan fallen lassen, gehen die Kämpfe und nächtlichen Überfälle weiter, vielleicht noch viele Monate, und das kostet uns am Ende mehr, als wenn wir jetzt allein für die Brücke aufkommen. Ganz zu schweigen davon, dass unsere Familien weiter in Angst leben müssen, wenn wir die Fehde nicht endlich beenden. Und euer Geld ist ja nicht verloren«, fügte er hinzu. »Sowie Frieden herrscht und die Gildekasse wieder gefüllt ist, sorge ich dafür, dass ihr euren Anteil zurückbekommt.«
»Es wird Jahre dauern, bis die Gildekasse wieder so viel Geld enthält«, entgegnete Duval. »Was, wenn Ihr bis dahin nicht mehr Gildemeister seid? Ein anderer Gildemeister sieht vielleicht nicht ein, uns zu entschädigen.«
»Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt. Ich kann euch nur mein Wort geben, mein Möglichstes zu versuchen.« Bevor Duval und die anderen neue Einwände vorbringen konnten, öffnete Michel eine Truhe, die er vor dem Treffen in den Saal gebracht hatte. »Seht her«, sagte er. »Das sind meine Bücher. Ich liebe sie über alles, jedes einzelne, aber ich bin bereit, sie zu verkaufen, um meinen Anteil aufzubringen – obwohl mir das Herz blutet, das könnt ihr mir glauben. Ihr habt gewiss auch etwas, vom dem ihr euch trennen könnt. Schmuck. Erbstücke. Pferde. Grundstücke, die ihr nicht unbedingt braucht. Alles, was ihr tun müsst, ist, über euren Schatten zu springen und das Wohl der Gilde über euer eigenes zu stellen.«
Schweigen herrschte im Saal. Michel spürte, dass er seine Freunde nicht überzeugt hatte. Diesmal war es ihm nicht gelungen, sie mit Worten zu verzaubern – ihre Zweifel an seinen Plänen waren bereits zu groß. Er legte die Hände auf die Stuhllehne und musterte ihre Gesichter. Er musste einen anderen Weg finden, sie umzustimmen. Denk nach!
Plötzlich schlug Carbonel mit der flachen Hand auf den Tisch. »Ich mache es!«, sagte er. »Ich habe noch knapp siebzig Pfund. Fünfzig sollst du haben. Außerdem verkaufe ich zwei Wiesen, einen meiner Fischteiche und eine Parzelle in der Unterstadt. Das bringt noch einmal fünfzehn, zwanzig Pfund ein.«
Die Kaufleute starrten ihn fassungslos an.
»Aber Abaëlard«, sagte Catherine, »Ihr könnt doch nicht Euer gesamtes Vermögen weggeben.«
»Wieso nicht?«, erwiderte der Alte halsstarrig. »Ich sterbe ohnehin bald. Was soll ich da mit dem ganzen Geld? Schau mich nicht an, als hätte ich den Verstand verloren«, fuhr er fort, als die Kauffrau protestieren wollte. »Wir alle wissen, dass es so ist. Ich habe viel länger gelebt, als es einem Mann zusteht – ich kann froh sein, wenn der Herr mir noch ein, zwei Jahre gewährt. Meine restliche Zeit will ich nutzen, um etwas Vernünftiges mit meinem Reichtum anzustellen, damit meine Seele rein ist, wenn ich vor meinen Schöpfer trete. Und etwas Vernünftigeres als diese Brücke fällt mir nicht ein.«
»Was ist mit Euren Söhnen?«, fragte Duval. »Sie werden nicht erfreut sein, wenn sie erfahren, dass sich ihr Erbe in Luft aufgelöst hat.« Carbonel hatte zwei Söhne, die seit über zwanzig Jahren in Metz lebten und sich im Norden des Herzogtums als Kaufleute betätigten.
»Meine Söhne sind reicher als ich – sie brauchen mein Geld nicht. Außerdem erben sie noch genug, mein Haus, meine Silberleuchter und den ganzen anderen Plunder. Das muss ihnen reichen.« Entschlossen blickte der Alte Michel an. »Heute Abend bringen dir meine Knechte eine Kiste mit fünfzig Pfund Silber. Den Rest bekommst du, sowie ich die Grundstücke und den
Weitere Kostenlose Bücher