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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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folgte der Mittag, auf den Mittag der Nachmittag. Auf dem Markt schrien die Kleinkrämer und priesen ihren Plunder an.
    Es klopfte, und Foulque kam herein.
    »Herr Chastain ist da. Er möchte Euch sprechen.«
    Michels Faust ballte sich um die letzte Münze, sodass das Metall schmerzhaft in sein Fleisch schnitt. »Schick ihn fort. Ich fühle mich nicht wohl.«
    »Er sagt, es geht um die Gilde.«
    Michel seufzte und warf den Schilling zu den anderen. »Na schön. Na schön. Führ ihn schon herauf.«
    Strahlend wie ein Honigkuchenpferd betrat Chastain die Schreibstube. »Herr de Fleury! War das nicht eine denkwürdige Feier gestern? Schade, dass Ihr schon so früh gegangen seid – man sagte mir, Le Roux und die anderen hätten bis zum Morgen getrunken und gelacht. Aber Ihr wart gewiss müde von Eurer Reise.«
    »Was führt Euch zu mir, Hernance?«
    »Ich glaube, ich war noch nie so glücklich. Ich möchte meine Schwurbrüder daran teilhaben lassen und der Gilde eine größere Summe spenden.«
    »Das ist sehr großzügig von Euch. Um wie viel handelt es sich?«
    »Drei Silberpfund in frisch geprägten Sous. Wartet. Ich habe das Geld hier.« Umständlich löste der Tuchhändler seine Geldkatze vom Gürtel, öffnete sie und begann, Münzen auf dem Tisch zu stapeln. Währenddessen plapperte er munter weiter. »Wahrlich, ich könnte die ganze Welt umarmen. Isabelle ist eine Frau, wie sie sich jeder Mann wünscht. Freundlich, klug, sittsam … außer in der Nacht.« Chastains Augen funkelten vielsagend. »Ich kann Euch sagen, im Bett ist sie eine wahre …«
    Michel schlug mit der flachen Hand auf das Schreibpult, sodass sein Besucher zusammenzuckte. »Es tut mir aufrichtig leid, Hernance, aber ich habe jetzt keine Zeit, mit Euch zu plaudern. Es war eine anstrengende Reise, und ich habe viel zu tun. Wenn Ihr mir also Eure Spende aushändigen würdet?«
    Irgendwie gelang es ihm, Chastain abzuwimmeln. Nachdem der Tuchhändler gegangen war, sank er auf seinen Stuhl und ließ den Kopf gegen die Lehne sinken.
    Er musste Isabelle treffen, sie sehen, mit ihr sprechen, so schnell wie möglich.
    Das war nicht so einfach, wie er dachte. Tatsächlich erwies es sich als nahezu unmöglich.
    Es war nicht so, dass Chastain Isabelle zu Hause einsperrte. Ganz im Gegenteil, der Tuchhändler zeigte sich bei jeder Gelegenheit mit ihr in der Stadt, strahlend vor Besitzerstolz, um mit seiner jungen und schönen Gemahlin zu prahlen. Allerdings wich er dabei nie von ihrer Seite und ließ sie keinen Moment aus den Augen, sodass es Michel nicht gelang, ungestört mit ihr zu sprechen. Wenn sie sich in den Gassen oder bei der Sonntagsmesse im Dom trafen, konnten sie lediglich ein paar unverbindliche Worte miteinander wechseln. In der Öffentlichkeit und im Beisein Chastains war er der Gildemeister und sie das Weib eines Schwurbruders – ein längeres, vertrauliches Gespräch zwischen ihnen wäre nicht schicklich gewesen.
    Alles, was sie tun konnten, war, sich Blicke zuzuwerfen. Wenn sie ihn ansah, entdeckte er ein Flehen in ihren Augen, das ihm beinahe das Herz zerriss.
    Eines Morgens besuchte er Chastain unter dem Vorwand, er müsse Angelegenheiten der Gilde mit ihm besprechen. Michel hoffte, im Haus des Tuchhändlers ergäbe sich vielleicht eine Gelegenheit für ein kurzes Treffen mit Isabelle. Auch diesmal wurde er enttäuscht. Wenn Chastain nicht selbst auf sie aufpasste, ließ er sie ununterbrochen von zwei Mägden überwachen. Er war offenbar fest entschlossen, keinen anderen Mann in ihre Nähe zu lassen.
    Niedergeschlagen ging Michel nach Hause, setzte sich in die Stube und klopfte mit seinem Amtsstab gegen die Tischkante.
    Was konnte er jetzt noch tun?
    Auch Isabelle verzehrte sich danach, Michel zu treffen. Auch ihr gelang es nicht.
    Bereits am zweiten Tag ihrer Ehe hatte Chastain ihr sanft, aber bestimmt zu verstehen gegeben, er wünsche nicht, dass sich seine Gemahlin allein in der Stadt zeige. Wenn sie das Haus verlasse und er sie nicht begleiten könne, müsse sie stets eine Magd mitnehmen, besser alle zwei. Die beiden jungen Frauen achteten wie Schießhunde darauf, dass Isabelle sich nicht über die Anweisung ihres Gatten hinwegsetzte und sich heimlich davonstahl. Als sie es einmal versuchte, bemerkten die Mägde es und hefteten sich mit missbilligenden Gesichtern an ihre Fersen.
    Wohl in der Annahme, dies könne die verlorene Freiheit aufwiegen, überhäufte Chastain sie mit Geschenken. Beinahe jeden Tag brachte er ihr etwas aus der

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