Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Stadt mit, einen Ring, eine Halskette, ein teures Kleidungsstück. Sie war gefangen in einem goldenen Käfig. Wenigstens hatte der Tuchhändler ihr gestattet, ihre Tiere herzubringen. Ohne ihre alten Gefährten hätte die Verzweiflung sie gewiss nach wenigen Wochen zugrunde gerichtet.
Tag und Nacht grübelte Isabelle darüber nach, wie sie ihre Bewegungsfreiheit zurückerlangen könnte. Es musste ihr irgendwie gelingen, seinen Argwohn zu zerstreuen, damit er ihr erlaubte, allein das Haus zu verlassen.
Worauf gründet sein Misstrauen?
Die Antwort war denkbar einfach: Chastain hatte berechtigte Zweifel, ob sie seine Liebe erwiderte. Natürlich hegte er derartige Bedenken. Immerhin machte sie keinen Hehl aus dem Abscheu, den sie für ihn empfand.
Könnte sie es schaffen, ihn glauben zu machen, dass sie ihn als Gemahl schätzte? Auch wenn sie dafür ihre Gefühle verleugnen musste?
Am nächsten Morgen ging sie in Begleitung ihrer Aufpasserinnen auf den Markt und kaufte Schnittblumen, die sie in der Stube und dem Schlafgemach aufstellte. Anschließend fragte sie Chastains Mutter um Erlaubnis, die Einrichtung beider Räume verändern zu dürfen. Ihre Schwiegermutter war eine dickliche, gutmütige und nicht allzu kluge Frau, die sich freute, dass Isabelle endlich aus sich herausging. Sie half ihr, frische Tischdecken und dazu passende Leuchter und anderes Geschirr herauszusuchen und die Kammern zu verschönern.
Als Chastain abends nach Hause kam, erwartete Isabelle ihn in der Stube. Sie war allein; ihre Schwiegermutter hatte sich nicht wohlgefühlt und sich bereits in ihr Schlafgemach zurückgezogen.
Der Tuchfärber bemerkte sogleich die zahlreichen Veränderungen in der Stube. »Hat Mutter die Blumen gekauft?«
»Das war ich.« Isabelle legte ihr Stickzeug weg. »Bitte setzt Euch zu mir.«
Verwundert nahm Chastain neben ihr Platz und betrachtete die neue Einrichtung. »Ihr habt Euch ja richtig Mühe gegeben.«
»Ich möchte Euch um Verzeihung bitten, Hernance. Ich war Euch keine gute Ehefrau. Ich war kalt und abweisend, obwohl Ihr mich stets freundlich behandelt. Das möchte ich ändern. Von nun an will ich versuchen, Eure Liebe zu erwidern.« Es kostete sie die größte Mühe, diese Worte auszusprechen, und sie rechnete damit, dass Chastain dieses schäbige Manöver durchschaute. Doch der Tuchfärber lächelte nur töricht.
»Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ihr macht mich glücklich, Isabelle.«
»Die ersten Wochen unserer Ehe waren schwierig.« Sie ergriff seine Hand. »Wollen wir einen neuen Versuch wagen?«
»Ja.«
Er blickte ihr tief in die Augen. Auch jetzt durchschaute er sie nicht; stattdessen küsste er sie gierig auf den Mund. Isabelle musste all ihre Willenskraft aufbieten, ihren Widerwillen nicht zu zeigen.
Er atmete schwer vor Erregung. »Lasst uns nach drüben gehen.«
Chastain ergriff ihre Hand und führte sie ins Schlafgemach. Beinahe bewunderte sie seine Beharrlichkeit. Obwohl sie noch keine drei Wochen verheiratet waren, bestand ihr Eheleben schon jetzt aus einer langen Reihe von peinlichen Pannen. Chastain war einfach nicht imstande, mit ihr den Liebesakt zu vollziehen. Entweder war er so erregt, dass er bereits nach wenigen Augenblicken zum Höhepunkt kam, oder aber sein Glied erschlaffte nach kürzester Zeit, vermutlich, weil ihn Isabelles Schönheit einschüchterte. So wurde jede Nacht für ihn zu einer Demütigung. Trotzdem versuchte er Abend für Abend aufs Neue sein Glück.
Heute sollte es wieder nicht klappen, was zu einem gewissen Teil daran lag, dass Isabelle nachhalf. Kaum lagen sie nackt auf dem Bett, flüsterte sie ihm ins Ohr: »Dringt in mich ein, mein Gemahl. Ich will Euch in mir spüren.«
Er keuchte erregt, als sie mit der Hand über seinen Oberschenkel strich. Eine Berührung seines Gliedes genügte, dass er seinen Samen verspritzte.
Niedergeschmettert von dem neuerlichen Misserfolg murmelte er: »Es tut mir leid. Wenn ich nur wüsste, was mit mir los ist …«
»Das macht doch nichts«, erwiderte sie sanft und schmiegte sich an ihn. »Eines Tages wird es Euch gelingen, mich zu lieben, da bin ich sicher. Wir müssen Vertrauen haben.«
»Ja – Vertrauen«, wiederholte er wenig überzeugt.
Obwohl sie sich wieder und wieder sagte, dass das, was sie tat, notwendig war, fühlte sie sich in jener Nacht wie eine Hure.
Juli und August 1189
V ARENNES -S AINT -J ACQUES
I sabelle wusste, dass es nicht damit getan war, Blumen aufzustellen und Chastain ihrer
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