Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Karden, der Erzbischof von Trier. Nachdem die Stadt an der Mosel drei Tage lang um den mächtigen Kirchenfürsten getrauert hatte, begann die Suche nach einem Nachfolger. Bald schon setzte sich Johann I., Archidiakon des Bistums und Reichskanzler des Kaisers, gegen seine Rivalen durch. Johann hatte sich in den vergangenen Jahren als gelehrter Kleriker und geschickter, weltgewandter Politiker erwiesen. Mit seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten hatte er sowohl den Papst als auch die Fürsten des Heiligen Römischen Reiches beeindruckt; außerdem genoss er das Vertrauen des Reichsregenten, Barbarossas Sohn Heinrich VI. So überraschte es niemanden, dass er schließlich im September zum neuen Erzbischof von Trier gewählt wurde.
Als Johann unter dem Jubel der Trierer Bürger in den Stadtpalast einzog, fasste er den Entschluss, die Diözese zu neuer Größe zu führen. Ihren geistlichen Einfluss wollte er bewahren und ausbauen, Triers weltliche Macht festigen und ausweiten, damit das Bistum endlich mit den Fürstentümern an seinen Grenzen konkurrieren konnte. Tatkräftig und durchtrieben wie eh und je, unternahm er sogleich die ersten Schritte zur Verwirklichung seiner ambitionierten Pläne.
Einer der Ersten, die Johanns Ehrgeiz zu spüren bekamen, war Bischof Ulman. Ulman war gerade erst aus Trier zurückgekehrt, wo er der Wahl beigewohnt hatte, als ein berittener Bote in Varennes eintraf und ihm eine Nachricht seines neuen Erzbischofs überreichte.
In dem Brief brachte Johann seine Sorge über den Zustand der Stadtmauer von Varennes-Saint-Jacques zum Ausdruck. Er schrieb, die Fehde der Kaufmannsgilde gegen Aristide de Guillory im Winter 1187 und 1188 habe gezeigt, dass die Stadt Angriffen schutzlos ausgeliefert sei. Dieser gefährliche Zustand sei nicht länger hinnehmbar. Ulman sei daher aufgefordert, die Wehrmauer zu erneuern, um die Bischofsstadt gegen kriegerische Attacken zu sichern.
Ulman las die Nachricht in seinen Gemächern, während die goldene Septembersonne durch die Fenster hereinschien. Wenngleich er mit Schrecken an Johanns Besuch vor zwei Jahren zurückdachte, hatte auch er dessen Wahl zum Erzbischof unterstützt, hielt er den Reichskanzler doch für den fähigsten Kandidaten. Außerdem war Johann ihm nach wie vor gewogen, und seiner Laufbahn wäre es gewiss zuträglich, wenn ein Freund auf dem Stuhl des Erzbischofs säße.
Nun aber fragte er sich, ob er damit nicht einen schweren Fehler begangen hatte. Johanns Anordnung war schlichtweg absurd. Wenn es in Ulmans Macht läge, Varennes mit einer neuen Wehrmauer auszustatten, hätte er es längst getan. Doch woher sollte er das Geld für solch ein kostspieliges Unterfangen nehmen? Ein derartiges Bauwerk kostete viele hundert oder gar tausend Pfund. Seine Stadt aber war viel zu klein, um genügend Steuern, Abgaben und Zölle abzuwerfen.
Leider war es undenkbar, die Order des Erzbischofs zu ignorieren. Wenn er das täte, wäre er die längste Zeit Bischof von Varennes gewesen.
Er musste sich etwas einfallen lassen.
Wie kam er an frisches Geld? Tatsächlich war die finanzielle Lage des Bistums so gut wie lange nicht. Ulman gab es nur ungern zu, aber dank der neuen Brücke florierte der Handel, wodurch seine Decimatoren, Steuereintreiber und Zöllner sprudelnde Einnahmen verzeichneten. Und doch – es reichte nicht. Er musste neue Geldquellen erschließen.
Sollte er bei den lombardischen Bankiers in Metz ein Darlehen aufnehmen? Nein. Nur Narren wie Aristide de Guillory verschuldeten sich bei diesen Halsabschneidern. Eine neue Steuer erheben oder die bestehenden Abgaben erhöhen? Ebenfalls schwierig. Zu hohe Steuern hatten oft unabsehbare Folgen, sie förderten Schmuggel und Betrug aller Art, und der Schaden, den sie verursachten, war nicht selten höher als ihr finanzieller Nutzen.
Klüger wäre es, das Geld zu verrufen. Sämtliche Einwohner des Bistums zu zwingen, ihre Deniers und Sous abzugeben und gegen minderwertigere Silbermünzen einzutauschen, hatte zwar auch Nachteile – es schwächte etwa für einige Zeit den Handel –, brächte ihm aber auf einen Schlag hundert Pfund oder mehr ein. Außerdem hatten die Bürger so gut wie keine Möglichkeit, sich dieser Maßnahme zu entziehen.
In seinen ersten Amtsjahren hatte er sich dieses neuartigen Instrumentes mehrfach bedient, um die ausufernden Ausgaben des Bistums zu decken. Seit dem Erstarken der Gilde hatte er keinen Gebrauch mehr davon gemacht, denn es hätte unweigerlich neuen Streit mit den
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