Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
dem Brautlauf angeschlossen hatten. Die Spielleute und Gaukler sprangen auf die Tische und stampften durch die Essensreste, während sie ihre schrillen Lieder und albernen Kunststücke darboten. Wenn Chastain nicht gerade töricht grinste oder Wein in sich hineinschüttete, glotzte er Isabelle wollüstig an. Ihre Mutter und Lutisse bemühten sich, mit Chastains Mutter und seinen Schwestern Freundschaft zu schließen. Steif lächelnd saßen sie an der Tafel und bemühten sich um ein gesittetes Gespräch – bei all dem Lärm und Getöse ein unmögliches Unterfangen.
Gaspard hatte sich unterdessen mit Baudouin, Pérouse und Vanchelle in eine Ecke des Saales verzogen. Die vier steckten die Köpfe zusammen und tuschelten, als wären sie nicht auf einer Hochzeit, sondern beim Geheimtreffen einer Verschwörung.
Während die Gäste immer betrunkener wurden, während sie grölten und rülpsten und furzten, schaute Isabelle zu Michel. Er saß zwischen Le Roux und Baffour, die mit ihm trinken und lachen wollten und gar nicht merkten, dass er sie nicht beachtete, dass er weder seinen Wein noch sein Essen anrührte. All die Stunden hielt er sie mit seinem Blick fest, als könne er verhindern, was geschehen würde, wenn er sie nicht aus den Augen ließ.
Isabelle stellte sich vor, er würde jetzt neben ihr sitzen, nicht Chastain. Eine sanfte, freundliche Wärme verdrängte die Kälte in ihrem Innern. Ja. Das wäre wundervoll …
Sie sah, dass Michel lächelte. Dachte er gerade dasselbe?
Es war ein schöner Traum, einer, der sie für eine Weile vergessen ließ, wo sie war und was ihr bevorstand. Doch wie die meisten seligen Träume endete auch dieser unsanft und jäh, als Aubry torkelnd gegen die Tafel prallte und grölte: »Genug gefeiert, Bruder! Es wird Zeit für deine Hochzeitsnacht!«
»Ja!«, brüllten die Gäste, sofern sie noch dazu imstande waren und nicht längst sturzbetrunken unter den Tischen lagen.
Chastain stand schwankend auf und streifte Isabelle dabei mit einem halb nervösen, halb lüsternen Blick. »Ich bin bereit«, erklärte er linkisch.
»Das will ich dir auch geraten haben!«, rief Aubry. »Los, schnappt sie euch!«
Chastains übrige Brüder, Milon Poupart, Baudouin, Pérouse und Vanchelle von der Gilde und zwei Gesellen Chastains ergriffen das Brautpaar, hoben Isabelle und den Tuchhändler hoch und trugen sie unter dem Johlen der Menge durch das Haus. Isabelle saß bei Pérouse und Vanchelle auf den Schultern, die es sich nicht nehmen ließen, ihr die Hände weit, weit unter die Röcke zu schieben.
»Besorg’s ihr tüchtig, Hernance!«, rief jemand.
»Ja, nimm sie ordentlich ran!«, grölte ein anderer.
»Du bist wirklich zu beneiden, Mann!«
»Wenn du außer Atem bist, lass es mich wissen. Ich helfe gern aus!«
Der Einzige, der sitzen blieb, war Michel. Er hatte den Blick gesenkt und umklammerte den Weinkelch.
»Hohoho!«, machte die Menge und »Hahaha!«, während sie das Brautpaar die Treppe hinauftrug. Der Pfarrer ging voraus und räucherte das Schlafgemach mit Weihrauch aus, um böse Zauber zu vertreiben und die Hochzeitsnacht zu segnen. Schließlich wurden Isabelle und Chastain vor dem Ehebett abgesetzt. Aubry rief: »Wagt es ja nicht runterzukommen, bevor es getan ist. Lassen wir das glückliche Paar allein. Alles mir nach!« Er warf die Tür zu, lärmend entfernte sich die Festgemeinschaft, um unten weiterzufeiern.
Isabelle und der Tuchhändler standen einander schweigend gegenüber.
»Ja«, begann Chastain, dessen Gesicht vom Wein knallrot war. »Nun ist es also so weit, schätze ich … Bitte ängstige dich nicht. Ich … ich werde dir nicht wehtun.«
Isabelle hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Sie konnte nicht verhindern, was nun geschah, aber sie würde Chastain keinen Fingerbreit entgegenkommen. Er würde ihr jede Kleinigkeit befehlen müssen.
Er leckte sich über die Lippen. »Z-zieh dich aus«, brachte er hervor.
So wenig verführerisch wie möglich streifte Isabelle ihre Kleider ab, legte sie ordentlich zusammen und stapelte sie auf dem Stuhl. Chastain hingegen hatte es mit dem Ausziehen so eilig, dass er sich beinahe mit seinem Leibhemd strangulierte. Außerdem verhedderte er sich in seiner Bruche, taumelte gegen den Bettpfosten und lächelte sie töricht an.
»Ich fürchte, ich habe heute einiges getrunken«, erklärte er entschuldigend.
Dann stand er da, nur noch mit Strümpfen bekleidet, und glotzte sie an. »Wie schön du bist«, sagte er mit belegter
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