Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
Vom Netzwerk:
ganz dem Geschäft widmen konnte. Doch im Grunde seines Herzens war Chastain immer ein Handwerker geblieben. Er wollte nicht gänzlich auf die Arbeit an den Bottichen verzichten, nur weil er unter die Kaufleute gegangen war.
    Der Geruch der Farben und Beizmittel rief tausend Erinnerungen in ihm wach, führte ihn zurück in seine Jugend. Manchmal vermisste er das Tagwerk als einfacher Tuchfärbergeselle. Gewiss, er hatte die Schinderei und die stickige Luft in den Werkräumen jeden Tag verflucht, aber trotz der harten Arbeit war es ein unbeschwertes Leben gewesen. Als Kaufmann dagegen quälten ihn unentwegt Sorgen. Von früh bis spät musste er rechnen und Listen führen, damit er sich bei seinen Geschäften nicht übernahm. Er musste sich mit Steuern, Zöllen und Marktabgaben herumschlagen. Und dann die ständigen Machtkämpfe in der Gilde – ermüdend.
    Nun, er durfte sich nicht beklagen. Anders als viele Handwerker hatte er es zu Wohlstand gebracht. Ganz zu schweigen davon, dass ihm die schönste Frau der Stadt gehörte.
    Isabelle … Wie so oft verlor er sich in Tagträumen, sobald er an sie dachte. Anfangs hatte ihre Kälte ihm zugesetzt, und er hatte sich immerzu gefragt, was er falsch machte, dass sie ihn so abweisend behandelte. Inzwischen wusste er, dass sie sich lediglich geängstigt hatte – vor ihm, vor der Ehe, ihrem neuen Leben. Seit sie darüber gesprochen hatten, besserte sich ihr Verhältnis von Tag zu Tag, und er war zuversichtlich, dass sie bald zueinander finden und eine liebevolle Ehe führen würden.
    Geistesabwesend befingerte er einen Ballen Tuch, der für den Verkauf bereitlag. Blieb die körperliche Seite ihres Liebeslebens … Sein fortwährendes Versagen im Ehebett war Chastain ein Rätsel. Was war nur los mit ihm? Wieso war er nicht imstande, den Geschlechtsakt mit ihr zu vollziehen? Er war doch ein gesunder Mann, und mit den Huren hatte es auch nie Schwierigkeiten gegeben. Er hatte bereits mit seinem Beichtvater darüber gesprochen. Der Priester hatte ihm den Rat gegeben, Gott und die Heiligen um Manneskraft zu bitten. Das tat Chastain seitdem täglich. Ohne Erfolg.
    Er erwog, zu Peirona zu gehen, der Hebamme und Kräuterfrau, die in der Unterstadt hauste. Vielleicht kannte sie ein Mittel zur Heilung seiner Beschwerden …
    »Herr Chastain?«
    Er wandte sich um und blickte den Gesellen an, der auf den Hof getreten war.
    »Draußen steht ein Bote mit einer Nachricht für Euch.«
    Chastain schritt zur Vordertür der Werkstatt. Zu seiner Überraschung erwies sich der Bote als Knabe von höchstens zwölf Jahren. Der blonde Bengel hielt ihm ein Stück Pergament hin. »Für Euch, Herr.«
    »Wer schickt dich?«, fragte Chastain, doch da lief der Junge bereits davon und verschwand flink wie ein Beutelschneider in den Gassen.
    Wie seltsam. Normalerweise wurde man einen Boten erst wieder los, wenn man ihm einen Denier in die Hand drückte. Stirnrunzelnd faltete der Tuchhändler das Pergament auseinander. Begebt Euch umgehend zur verlassenen Holzfällerhütte am Waldrand, stand da in gestochen scharfen Lettern. Ihr findet sie, wenn Ihr vom Heumarkt nach Westen geht und nach einem Steinwurf dem alten Pfad in Richtung Norden folgt. Zögert nicht! Eure Zukunft hängt davon ab, dass Ihr diese Anweisungen genau befolgt.
    Es gab keine Unterschrift.
    Chastain blickte sich misstrauisch um. Wer erlaubte sich da einen Scherz mit ihm? War es überhaupt ein Scherz? Die Schrift deutete darauf hin, dass diese Nachricht von einem gebildeten Mann stammte.
    Eine Weile stand er reglos da und starrte das Pergament an. Wollte man ihn in eine Falle locken, in einen Hinterhalt, damit man ihn ausrauben konnte? Aber das war doch töricht. Die Räuber konnten schwerlich erwarten, dass er einen Beutel mit Silber einsteckte, bevor er zu der Hütte ging.
    Er überlegte, die Nachricht zu ignorieren und wegzuwerfen … und er hätte es getan, wäre da nicht der Satz gewesen: Eure Zukunft hängt davon ab. Dieser beschwörende Hinweis ließ ihm keine Ruhe. Er war stets ein vorsichtiger Mann gewesen, der nie eine Warnung in den Wind schlug. Ohne diese Umsicht hätte er es nicht so weit gebracht im Leben.
    Er rief zwei Tagelöhner zu sich, befahl ihnen, ihre Knüppel zu ergreifen, und machte sich auf den Weg.
    Kurz darauf schlüpften die drei Männer durch das Dickicht am Waldrand. Chastain wusste, welche Hütte der unbekannte Schreiber meinte, sodass es ihm nicht schwergefallen war, den Trampelpfad zu finden. Als sie die Lichtung

Weitere Kostenlose Bücher