Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
Vom Netzwerk:
sein Recht als betrogener Ehemann wäre?
    Daneben machte ihm vor allem ein Gedanke zu schaffen: Wer hatte sie an Chastain verraten? Wer war ihnen auf die Schliche gekommen? Sie waren doch immer so vorsichtig gewesen, hatten niemanden eingeweiht. Er rief seine Bediensteten in den Gesellschaftssaal. Thérese, Matenda, Louis und Foulque standen mit betretenen Gesichtern da und vermieden es, ihm in die Augen zu schauen.
    »Hat mir in den vergangenen anderthalb Jahren jemand nachspioniert?«, fragte er sie.
    »Nicht, dass ich wüsste, Herr«, antwortete Matenda.
    »Ist euch irgendetwas Merkwürdiges aufgefallen? Hat man euch in der Stadt über mich ausgefragt?«
    Allgemeines Kopfschütteln.
    »Habt ihr gewusst, dass ich mich heimlich mit Isabelle Car… Chastain treffe?«
    Entschiedenes Kopfschütteln.
    Michel blickte Foulque an. Ihm war ein unerhörter Gedanke gekommen: Was, wenn seine Feinde den Pferdeknecht nach Adriens Tod bei ihm eingeschleust hatten, damit er etwas fand, mit dem sie ihn zu Fall bringen konnten? »Warst du es?«, fragte er harsch. »Hast du mir nachspioniert und mich verraten?«
    Foulques Gute-Laune-Gesicht zeigte keine Regung. »Ich würde so etwas niemals tun, Herr«, sagte er ruhig. »Ich bin Euch treu ergeben.«
    »Gibst du mir dein Wort?«
    Der Pferdeknecht hob ohne zu zögern die Rechte. »Ich schwöre es bei der Seele meiner Mutter.«
    Michel beschloss, die Sache vorerst auf sich beruhen zu lassen. Solange er nichts beweisen konnte, war es sinnlos, die eigenen Hausbedienten zu verdächtigen. Außerdem gab es jetzt Wichtigeres zu tun. Er musste zusehen, dass er Isabelle vor Schaden bewahrte …
    Jemand klopfte energisch an die Eingangstür.
    Er spähte aus dem Fenster. Unten stand Tancrède Martel, der Schultheiß, auf seinen Gehstock gestützt. Bei ihm waren zwei bewaffnete Stadtbüttel.
    »Herr!«, rief Louis ihm nach, als er zur Treppe ging.
    »Wir stehen zu Euch, egal, was geschieht«, erklärte der junge Knecht linkisch. Foulque und Thérese bekundeten eifrig nickend ihre Zustimmung. Nur Matenda vermied es nach wie vor, ihn anzusehen. Die Köchin war eine tiefgläubige Frau, die sein Verhalten gewiss missbilligte. Vermutlich schämte sie sich gar, im Haus eines Ehebrechers wohnen zu müssen.
    »Ich danke euch«, sagte Michel knapp und stieg die Stufen hinab.
    »Seine Exzellenz, Bischof Ulman, hat von den Vorwürfen Kenntnis erlangt, die Herr Chastain gegen Euch erhebt«, erklärte Martel steif, als Michel nach draußen trat. »Er möchte sie in aller Form untersuchen, um festzustellen, ob Ihr gegen kirchliches Recht verstoßen habt. Ich bitte Euch daher, mich zum Palast zu begleiten.«
    Michel sah Géroux, de Brette, die Gebrüder Nemours und weitere Ministerialen auf der anderen Seite des Domplatzes. Zügig schritten die Männer zum Bischofspalast. »Wenn er nur meine Aussage hören will, weshalb hat er die Schöffen einbestellt?«
    »Damit er gleich ein Urteil finden kann, wenn sich Chastains Vorwürfe als wahr erweisen.«
    »Wieso wartet er damit nicht bis zum nächsten Gerichtstag?«
    »Der Bischof hat seine Gründe«, sagte Martel glatt.
    »Sagt, freut er sich schon sehr auf die Verhandlung?«, fragte Michel, als sie losgingen.
    Der Schultheiß ließ sich nicht zu einer Antwort herab. Seine Büttel wollten Michel in die Mitte nehmen, doch er gab ihnen mit einem warnenden Blick zu verstehen, dass er eine derartige Behandlung nicht dulden würde. Er war der Gildemeister, kein gefährlicher Schwerverbrecher – niemand führte ihn ab wie einen Haderlumpen. Als sie den Domplatz überquerten, schritt er hocherhobenen Hauptes voraus und ignorierte die gaffenden Blicke der Marktbesucher und ihr tuschelndes Geflüster.
    Normalerweise gab es für Gerichtsverhandlungen feste Termine, und sie fanden draußen auf dem Viehmarkt statt, unter den Augen des ganzen Bistums. Drei- bis neunmal im Jahr waren alle Männer und Frauen aufgerufen, als Zeugen Bischof Ulman, dem Schöffengericht und Herzog Simon Châtenois in seiner Eigenschaft als Stadtvogt bei der Rechtsprechung zuzusehen. Dass die städtische Obrigkeit in Michels Fall nicht auf den nächsten Termin warten wollte, konnte zwei Gründe haben: Entweder erachtete man ihr Verbrechen als so schwer, dass man Isabelle und ihn zügig aburteilen wollte, damit sie sich ihrer Strafe nicht entziehen konnten. Oder es war ein Hinweis darauf, dass seine Feinde ihre Hände im Spiel hatten – dass diese Sache von langer Hand geplant war. Je länger Michel

Weitere Kostenlose Bücher