Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
suchen. Vielleicht hat er ja Glück und findet einen armen Narren, der verzweifelt genug ist, dass er auch eine ehrlose Ehebrecherin mit einem Bastard im Leib nimmt.«
»Ich bin immer noch mit Chastain verheiratet«, erinnerte sie ihn.
»Nicht mehr lange. Hernance hat die Annulierung eurer Ehe beantragt, und Bischof Ulman hat ihm bereits zugesagt, das Verfahren zügig abzuschließen.«
Isabelle war, als legten sich eisige Klauen um ihre Kehle. »Das kannst du mir nicht antun«, flüsterte sie.
»Es ist die einzige Möglichkeit, die Familie vor neuer Schande zu bewahren.«
»Dafür musst du mich nicht verheiraten.« Isabelle stand auf. »Lass mich nach Frankreich gehen. Ich kaufe mir einen Hof und kehre nie mehr nach Varennes zurück. Du hast mein Wort.«
»Damit du endlich mit deinem geliebten Michel zusammen sein kannst? Das ist es doch, was du vorhast, oder? Nein. Du gehst nach Speyer. Morgen vor Sonnenaufgang brecht ihr auf.« Ohne ein weiteres Wort ging er und schlug die Tür hinter sich zu.
Obwohl Gaspard zu Tode erschöpft war, schlief er auch in jener Nacht äußerst schlecht. Beklemmende Träume suchten ihn heim, und jeder Laut ließ ihn auffahren, weil er dachte, sein Haus werde angegriffen. Weit nach Mitternacht schließlich hörte er Geräusche aus der Stube. Jemand weinte. Er stellte fest, dass Lutisses Seite des Bettes leer war. Nackt verließ er die Kammer.
Sein Weib saß im Licht einer Kerze am erloschenen Kamin und stillte Flori. Sie schluchzte leise. »Bitte entschuldige«, murmelte sie. »Ich wollte dich nicht aufwecken.«
»Was ist mit dir?«
Sie wandte den Blick ab, gab keine Antwort.
»Warum weinst du?«, beharrte er. »Bitte sag es mir.«
»Ich will, dass all das endlich aufhört. Die Angst. Die Kämpfe. Ich ertrage das nicht mehr.«
»Géroux wird bald aufgeben. Hab nur noch ein wenig Geduld.« Er legte ihr die Hand auf die Wange, doch sie drehte den Kopf weg. Trotzig wischte sie sich die Tränen ab.
»Wieso könnt ihr nicht einfach Frieden schließen? Was ist so wichtig an dieser törichten Wahl, dass ihr euch deswegen die Köpfe einschlagen müsst?«
Lutisses Bitterkeit begann ihn wütend zu machen. »Das habe ich dir doch schon hundertmal erklärt. Géroux darf um keinen Preis Gildemeister werden. Dann könnte gleich der Bischof der Gilde vorstehen.«
Sie hörte ihm nicht zu. »Du hättest dich nicht mit Michel überwerfen dürfen. Wenn du zu ihm gestanden hättest, wäre es nie so weit gekommen. Alles nur, weil du so verdammt stolz bist!«
Dieser Vorwurf war so ungeheuerlich, dass Gaspard sie einen Moment nur fassungslos anstarren konnte. Seine eigene Frau gab ihm die Schuld an den Kämpfen und schlug sich obendrein auf die Seite dieses Bastards. Hätte sie nicht Flori im Arm gehalten, hätte er sie zum ersten Mal in ihrer Ehe geschlagen. »Michel ist ein hinterhältiger Verräter, falls du das vergessen hast«, zischte er. »Er hat unsere Freundschaft seiner Machtgier geopfert und mich gedemütigt, wo er nur konnte. Er hat Isabelle entehrt und die Familie dem Gespött der ganzen Stadt ausgeliefert. Wage es ja nicht, noch einmal seinen Namen in diesem Haus auszusprechen! Hast du verstanden?«
Lutisse starrte ihn an, bleich, die Augen aufgerissen, zutiefst erschrocken von der Heftigkeit seines Zorns. In seiner Wut trat er gegen einen Stuhl, woraufhin Flori zu schreien anfing.
»Na großartig – auch das noch. Na los, tu was! Mach, dass sie aufhört.«
Lutisse begann, mit Flori in der Stube umherzugehen, und sang ihr leise ein Lied, was das Kind jedoch nicht im Mindesten beruhigte. Ganz im Gegenteil, es weinte immer lauter. Gaspard ertrug das Gebrüll nicht länger. Rasch schlüpfte er in seine Kleider und verließ die Kammer.
Hinter seinen Schläfen pochte wummernder Schmerz, der bald so schlimm wurde, dass ihn schwindelte. Im Gesellschaftssaal trat er ans Fenster, stützte sich auf dem Sims auf und schloss die Augen, während ihm eine kalte Brise das Haar zerzauste. Wenn das so weitergeht, dachte er, verliere ich noch den Verstand.
Jaufré Géroux war kein Mann, der leicht verzieh. Wenn man ihm schadete oder seinen Zorn erregte, ruhte er nicht eher, bis er Gleiches mit Gleichem vergolten und seine Widersacher vernichtet hatte. Auf dieser Härte und Unnachgiebigkeit gründeten sein Ansehen, sein Reichtum, sein Einfluss – so war er zum mächtigsten Mann Varennes’ nach Bischof Ulman aufgestiegen.
Viele hatten ihn während seines langen Lebens herausgefordert, hatten
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