Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
versucht, ihm seine Stellung streitig zu machen. Doch keiner war so unverschämt gewesen wie dieser dahergelaufene Emporkömmling de Fleury, Sohn eines Bauern, Spross eines Leibeigenen. Seine Abwahl als Gildemeister gehörte zu den schlimmsten Niederlagen, die Géroux je hatte hinnehmen müssen. Umso schlimmer, dass es ihm bisher nicht gelungen war, de Fleury zur Rechenschaft zu ziehen. Der Mordanschlag vor zwei Jahren war schmählich missglückt, und danach war der Kerl zu gut geschützt gewesen. Außerdem hatte ihm Bischof Ulman verboten, auf diese Weise gegen seinen Erzfeind vorzugehen. Géroux hatte sich seinem Herrn gefügt. Doch die Schmach, die er de Fleury verdankte, hatte er nie vergessen.
Vielleicht war endlich der Tag gekommen, an dem er diese Scharte auswetzen konnte. In den Straßen Varennes’ regierte die Furcht. Im Schatten der Unruhen konnte ein Mann Dinge tun, die er gewöhnlich nicht zu tun vermochte. Er konnte rasch und heimlich zuschlagen, ungesehen verschwinden und mühelos seine Spuren verwischen.
Während Géroux am Fenster im zweiten Obergeschoss seines Anwesens stand und de Fleurys Haus betrachtete, sagte er: »Bischof Ulman hält große Stücke auf dich. Er sagt, du hast hervorragende Arbeit geleistet.«
»Ich freue mich, dass ich Seine Exzellenz zufriedenstellen konnte«, erwiderte Foulque.
Géroux wandte sich um und musterte seinen Gast. Noch nie hatte er einen Mann getroffen, der derart wandlungsfähig war. Wenn man ihn genau beobachtete, sah man manchmal in seinen Augen die Dunkelheit aufscheinen, die ihn beherrschte, die Gier und Kälte in seinem Innern. Doch Foulque – oder wie immer er wirklich hieß – verstand sich wie kein Zweiter darauf, sein wahres Wesen zu verschleiern. Seit er den Raum betreten hatte, trug er sein leutseliges Gute-Laune-Gesicht zur Schau, das auch Géroux getäuscht hätte, wenn er es nicht besser gewusst hätte.
Der Münzmeister wusste nicht, wo Aristide de Guillory diesen Kerl aufgegabelt hatte. Gerüchte besagten, Foulque habe in den letzten Jahren verschiedenen Herren gedient: als Spion, Mörder und Unruhestifter. Nun, es spielte keine Rolle, woher er kam und wer er wirklich war. Er hatte seine Qualitäten eindrucksvoll unter Beweis gestellt – das war alles, was zählte. »Bist du an einem weiteren Auftrag interessiert?«
»Das hängt von der Art des Auftrages und der Entlohnung ab.«
»Ein Mann soll sterben. Sein Tod ist mir fünf Pfund Silber wert. Ist das genug?«
»Um wen handelt es sich?«
»Michel de Fleury.«
Foulque nickte, als hätte er nichts anderes erwartet. »Fünf Pfund ist der Preis eines einfachen Bürgers oder Handwerkers. Der Tod eines bedeutenden Mannes kostet mehr.«
»Bedeutend? De Fleury ist erledigt. Ein Niemand.«
»Aber ein ausgesprochen schlauer Niemand. Mit Geld, einflussreichen Freunden und einem Haus, in das man nicht so ohne Weiteres hineinkommt.«
»Wie viel?«, fragte Géroux.
»Zehn Pfund.«
»Nein. Du bekommst sieben. Und keinen Sou mehr.«
»Zehn, oder wir kommen nicht ins Geschäft.«
»Dann suche ich mir eben einen anderen.«
»Wie Ihr wünscht«, meinte Foulque. »Ich fürchte allerdings, einen Besseren als mich werdet Ihr nicht finden. Viel Glück bei der Suche, Herr Géroux.« Er wandte sich zum Gehen.
»Na schön«, sagte Géroux. »Da hast du dein Geld.« Er knallte einen Lederbeutel, prallvoll mit Münzen, auf den Tisch.
»Wie soll es geschehen?«
»Das ist mir gleich. Hauptsache, nichts weist auf mich hin. Es soll wie ein Unglück aussehen. Ein bedauerliches Unglück, das man mit den Unruhen in der Stadt in Zusammenhang bringen wird. Schaffst du das?«
»Bedauerliche Unglücke sind mein besonderes Talent«, sagte Foulque und betastete beinahe zärtlich die Münzen unter der speckigen Lederhaut.
»Eine meiner Mägde war heute Morgen am Nordtor«, berichtete Catherine Partenay. »Sie hat Isabelle gesehen. Offenbar ließ Caron sie aus der Stadt bringen.« Die Kauffrau blickte Michel an. »Ich dachte, Ihr solltet das wissen.«
»Seid Ihr sicher?«, fragte er alarmiert.
»Das Mädchen schwört Stein und Bein, dass es Isabelle war, die im Wagen saß. Bei ihr waren noch andere Personen. Ihre Mutter, Carons Frau mit dem Kind und zwei Knechte.«
»Gaspard auch?«
»Er ist noch in Varennes. Ich habe ihn heute Morgen gesehen.«
»Wann genau war das?«
»Vor Sonnenaufgang. Eine ganze Weile vor der Prim.«
Also vor gut fünf, sechs Stunden. Michel fluchte leise.
»Ich habe es leider eben
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