Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Stall und beauftragte Louis, den Wallach abzureiben und zu versorgen, bevor er zu seiner Kammer schlurfte. Trotz seiner Müdigkeit fand er lange keinen Schlaf. Als die Klosterglocken zur Matutin riefen, wälzte er sich immer noch hin und her, gepeinigt von seiner Sorge um Isabelle.
Weit nach Mitternacht vernahm er plötzlich Geräusche. Sie kamen aus dem Erdgeschoss.
Versuchte jemand, sich gewaltsam Zutritt zu seinem Haus zu verschaffen? Nein. Die Laute klangen anders und waren obendrein viel zu leise. Wenn er die Tür seiner Schlafkammer nicht angelehnt gelassen hätte, wie es seit Beginn der Unruhen seine Gewohnheit war, hätte er sie gewiss nicht gehört.
Er schlüpfte in einen Kittel, zündete in der Kaminglut in der Stube eine Kerze an und stieg die Treppe hinab.
Im ersten Stock war alles dunkel.
»Louis?«
Nichts. Nur wieder dieses Geräusch. Wie das Plätschern von Wasser.
Aus der Küche holte er ein scharfes Messer, ehe er die Tür zum Erdgeschoss öffnete. Langsam stieg er die Treppe im Eingangsraum hinab – und blieb nach zwei Schritten abrupt stehen.
Unten stand Foulque, in den Händen eine bauchige Tonflasche, und besprenkelte sämtliche Kisten und Fässer mit Flüssigkeit.
Lampenöl!, durchfuhr es Michel.
Foulque starrte ihn bohrend an. Mit einer Geschwindigkeit, die Michel dem gedrungenen Mann niemals zugetraut hätte, warf er die Flasche weg, zückte einen Dolch und hastete die Stufen hinauf.
Instinktiv wich Michel in den Korridor zurück. Wie ist er hereingekommen?, war nur eine der tausend Fragen, die ihm durch den Kopf schossen. Der Gedanke riss ab, denn just in diesem Augenblick stürzte Foulque durch die Tür, und sein Blick war der eines Jägers, der sich mit allen Sinnen auf seine Beute konzentrierte. Seine Flinkheit, die ganze Haltung seines Körpers sagten Michel, dass dieser Mann ein äußerst gefährlicher Gegner war.
»Louis!«, schrie er, während er sich in den Saal zurückzog.
Er wollte die Tür zuschlagen, doch Foulque warf sich dagegen und drängte ihn zurück. Dabei verlor Michel seine Kerze. Sie rollte auf den Gang, wodurch er nur noch die Hälfte sah. Auf gut Glück stieß er mit dem Messer zu und spürte, wie es auf Widerstand traf. Foulque keuchte – er hatte ihn verletzt! Doch sonderlich schwer schien die Wunde nicht zu sein, denn schon einen Herzschlag später trat ihm sein Gegner in den Magen und schleuderte ihn gegen den Tisch.
Foulque sprang vor. Sein Dolch hätte ihn durchbohrt, wenn Michel nicht sein Messer fallen gelassen und Foulques Arm festgehalten hätte. Sie rangen miteinander, und plötzlich wälzten sie sich zwischen den Stühlen auf dem Boden. Michel atmete keuchend durch die zusammengebissenen Zähne.
»Was – willst – du?«
Foulque versetzte ihm mit der linken Hand einen Schlag ins Gesicht und nutzte seine Benommenheit, um sich auf ihn zu wälzen. Im flackernden Schein der Kerze konnte Michel keinerlei Mordlust im Gesicht seines Widersachers entdecken, auch keinen Zorn, lediglich Anspannung. Es war das Gesicht eines Mannes, der sich mit aller Kraft einer harten Arbeit widmete, damit ihm keine Fehler unterliefen.
Ich bin tot, erkannte er.
Foulque griff nach seinem Dolch, der ihm während der Rangelei aus der Hand gefallen war, und stieß zu. Michel schaffte es irgendwie, seinen Arm freizumachen, und riss ihn in einer abwehrenden Bewegung hoch. Er war jedoch zu langsam, die Klinge schrammte an seiner Hand entlang, schlitzte seinen Ärmel auf und fuhr ihm seitlich in den Brustkasten.
Es war ein Schmerz, wie er ihn noch nie zuvor erfahren hatte. Ein gepresstes Keuchen drang aus seinem Mund. Foulque riss den Dolch aus der Wunde und wollte noch einmal zustoßen, doch im gleichen Moment traf ihn etwas mit voller Wucht an der Schulter und schleuderte ihn von Michel herunter.
In der Tür stand Louis.
Als Foulque sich aufrappeln wollte, schwang der junge Knecht wieder seine Schaufel, doch diesmal tauchte Foulque unter dem Schlag hindurch und griff Louis mit bloßen Händen an. Die beiden taumelten auf den Gang.
Michel kämpfte gegen die Ohnmacht an. Er musste etwas tun – musste Louis beistehen. Er presste eine Hand auf die Wunde, aus der das Blut quoll, wälzte sich stöhnend herum und kroch zur Tür.
Er fand sein Messer. Seine Finger schlossen sich um den Knauf.
Irgendwie gelang es ihm aufzustehen, obwohl sich seine Beine anfühlten, als bestünden sie aus butterweichem Wachs. Schwankend kämpfte er sich zur Tür, lehnte sich gegen die
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