Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Außerdem hatte er dieses Bett und diese Kammer satt. In spätestens zwei Wochen, schwor er sich, bin ich stark genug, über die Straße und wieder zurück zu gehen.
Eines Abends bekam Michel Besuch von Charles Duval, Pierre Melville und Isoré Le Roux. Die drei Männer und Catherine erzählten ihm, was in den letzten zweieinhalb Wochen in Varennes geschehen war. Es stand schlimmer um seine Stadt, als er befürchtet hatte.
»Ihr hattet recht mit Eurer Einschätzung«, sagte Duval. »Bischof Ulman hat die Unruhen zum Anlass genommen, die Gilde aufzulösen. Vor drei Tagen hat Martel befohlen, die Gildehalle zu räumen und zu versiegeln.«
»Was wird jetzt aus euren Geschäften?«, fragte Michel, der sich im Bett aufgesetzt hatte.
»Handel treiben dürfen wir noch«, antwortete Le Roux. »Aber versammeln dürfen wir uns nicht mehr. Einander Freundschaft und Unterstützung schwören auch nicht.« Seine zerknautschte Miene war sorgenvoll. Der kleine Mann litt am meisten unter den jüngsten Entwicklungen. Vor nicht einmal einem Jahr war er der Gilde beigetreten und hatte große Hoffnungen an seine Mitgliedschaft geknüpft – und nun das.
»Wir machen uns also gerade eines Verbrechens schuldig?«
»Es wäre besser, wenn Bischof Ulman nichts von diesem Treffen erführe«, bestätigte Catherine.
»Ihr werdet das nicht einfach hinnehmen, hoffe ich.«
»Natürlich nicht«, erwiderte Duval. »Wir haben zwei Boten losgeschickt, einen zu Herzog Simon und den anderen zur Hofkanzlei, jeweils mit der Bitte, mäßigend auf Bischof Ulman einzuwirken. Aber viel versprechen wir uns davon nicht. Ulman hat das Recht auf seiner Seite. Er wirft uns vor, uns gegen die Obrigkeit zu verschwören und den Frieden im Bistum zu stören, und für Letzteres hat er dank Géroux und diesem Dummkopf Caron sogar handfeste Beweise. Wir können froh sein, dass er keinen von uns verhaften ließ.«
Michel schwieg bedrückt. Es war alles genau so gekommen, wie er es vorausgesehen hatte. Gaspard, du Narr.
»Leider ist das nicht alles«, fuhr Duval fort. »Gestern hat Ulman das Geld verrufen.«
»Ich habe mich schon gefragt, wann es wieder so weit ist«, bemerkte Michel. »Hat er sich wenigstens die Mühe gemacht, es zu begründen?«
»Die Ausrufer sagen, das Bistum brauche Geld, um endlich die Stadtmauern zu erneuern«, antwortete Pierre Melville.
»Ach? Er will ausnahmsweise einmal etwas für seine Bürger tun? Woher kommt dieser Sinneswandel? Hat er plötzlich begriffen, dass väterliche Güte und Barmherzigkeit einem Kirchenherrn gut zu Gesicht stehen?«
»Das wage ich zu bezweifeln«, meinte Catherine. »Gerüchte besagen, es sei nicht seine eigene Idee gewesen. Erzbischof Johann habe ihn aufgefordert, endlich etwas wegen der maroden Mauern zu unternehmen.«
»Jedenfalls haben wir bis zum ersten Advent Zeit, unser Geld bei der städtischen Münze einzutauschen«, sagte Duval. »Wer sich weigert oder Geld versteckt, muss mit harten Strafen rechnen. Wir wissen noch nichts Genaues, aber wir gehen davon aus, dass wir dabei zwischen fünf und zehn von hundert Teilen unseres Vermögens verlieren.«
»Am schlimmsten ist, dass dieser Schweinehund Géroux daran verdient«, sagte Melville. »Und nicht zu knapp.«
Als städtischer Münzmeister war Géroux bisher bei jeder Geldverschlechterung von Bischof Ulman entschädigt worden, indem er einen Teil des eingesparten Silbers behalten durfte. So würde es gewiss auch diesmal sein. Als Michel das klar wurde, war er beinahe froh, dass er keinen einzigen Denier mehr besaß.
»Wenigstens wissen wir jetzt, warum er so bereitwillig bei Ulmans Plänen mitgemacht hat«, sagte Catherine.
»Varennes stehen schlimme Zeiten bevor«, murmelte Le Roux düster. »Schlimme Zeiten.«
Dezember 1189
V ARENNES -S AINT -J ACQUES
S päter vermochte Gaspard nicht mehr zu sagen, was letztlich den Ausschlag gegeben hatte. Isabelles Bestrafung und diese Farce von einer Gerichtsverhandlung, Géroux’ Machenschaften bei der Wahl, das Verbot der Gilde, die offenkundige Feigheit seiner Schwurbrüder und schließlich die Geldentwertung – all das nährte seine Wut und ließ sie wachsen wie ein Geschwür in seiner Seele.
Eines Morgens dann wachte er auf und wusste, was zu tun war.
Heimlich benachrichtigte er seine Freunde Stephan Pérouse, Ernaut Baudouin, Raoul Vanchelle, Hernance Chastain und Milon Poupart. Dieser Tage war es gefährlich, sich mit anderen Kaufleuten zu treffen – wenn Martel davon Wind bekäme, drohten
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