Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Kräutertränke und besprach die Wunde mit einem Blutsegen. Da er nicht einzuschätzen vermochte, ob seine Bemühungen Erfolg zeitigen würden, schickte Catherine nach Pater Jodocus. Der Priester nahm Michel die Beichte ab, für den Fall, dass der Herr ihn zu sich holte. Michel nutzte die Gelegenheit und fragte ihn nach seinem Haus. Doch auch Jodocus verweigerte ihm die Antwort.
Langsam besserte sich sein Zustand. Die Wunde in seinem Brustkorb wurde nicht brandig, sondern verheilte sauber. Eines Morgens beschied ihm der Medicus, er habe dem Tod noch einmal ein Schnippchen geschlagen. »Ihr habt wahrlich die Natur eines Ochsen«, sagte er. »Viele andere Männer hätten diese Verletzungen nicht überstanden.«
Michel dankte dem Herrn, dass er die zähe Bauernnatur seines Vaters geerbt hatte. »Wann darf ich das Bett verlassen?«
»Ihr dürft nichts überstürzen. Wenn Ihr das Bein zu früh belastet, wird der Bruch nicht richtig heilen, und Ihr müsst für den Rest Eures Lebens hinken. In einer Woche. Besser in zweien.«
»Und wann werde ich vollends genesen sein?«
»Das kann niemand sagen. Vielleicht in einigen Monaten.«
In einigen Monaten, dachte Michel niedergeschmettert, nachdem der Arzt gegangen war. Wie sollte er nach Isabelle suchen und seinen Freunden beistehen, wenn ihn seine Wunden derart lange zur Tatenlosigkeit verdammten?
Zwei Tage später schenkte ihm Catherine endlich reinen Wein ein.
»Wir haben versucht, das Feuer zu löschen, aber wir konnten nichts mehr tun. Es war schon zu groß. Euer Haus ist vollständig ausgebrannt und noch in derselben Nacht eingestürzt.«
Michel nickte stumm. Mit nichts anderem hatte er gerechnet. »Mein ganzer Besitz ist verloren?«
»Ja.«
»Auch meine Tiere?«
Catherine nickte.
Er starrte ins Nichts. Das Hausgrundstück, die Wiese am Waldrand mit der Köhlerhütte und das Salzschiff waren nun alles, was er noch besaß. »Hat das Feuer auch die Nachbarhäuser zerstört?«
»Wir hatten Glück. Wir konnten es eindämmen, bevor es noch mehr Schaden anrichtete.«
»Das war kein Unfall. Es war ein Anschlag auf mein Leben.«
Catherine nickte. »Louis hat mir alles erzählt.«
»Warum haben de Guillory und Bischof Ulman das getan?«
»Seid Ihr sicher, dass sie dahinterstecken?«
»Wer sonst?«
»Jaufré Géroux hat in den Tagen nach dem Feuer einen seltsam zufriedenen Eindruck auf mich gemacht«, sagte die Kauffrau.
Géroux. An ihn hatte Michel noch gar nicht gedacht. Nun, das ergab durchaus Sinn – Géroux’ Rachsucht war legendär. Wie konnte ich nur glauben, er hätte aufgehört, mir nach dem Leben zu trachten? Jean hatte von Anfang an recht: Ich war zu leichtsinnig.
Konnte er Géroux für dieses Verbrechen zur Verantwortung ziehen? Unwahrscheinlich. Das Feuer hatte alle Beweise vernichtet, und der einzige Zeuge, der den Münzmeister hätte belasten können, weilte nicht mehr unter den Lebenden. Und selbst wenn Michel handfeste Beweise gehabt hätte, würde ihm das wenig nutzen. Wenn er Géroux vor dem Hochgericht anzeigte, würden für seinen Widersacher vermutlich sämtliche Ministerialen sowie Bischof Ulman als Eidhelfer auflaufen und seine Unschuld beschwören. Nur ein Narr würde erwarten, dass Herzog Simon ihnen weniger Glauben schenken würde als einem mittellosen Kaufmann, dem man erst kürzlich Unzucht und Ehebruch nachgewiesen hatte.
Er musste sich damit abfinden, dass Géroux auch diesmal straflos davonkommen würde. Der hilflose Zorn, der deshalb in ihm aufstieg, war schwerer zu ertragen als der Schmerz seiner Verletzungen.
»Habt Geduld«, sagte Catherine. »Eines Tages wird Géroux für seine Sünden bezahlen.«
Sie drückte ihm die Hand und stand auf, als der Medicus hereinkam.
Nach der Unterredung mit dem Wundarzt wartete Michel eine Woche und keinen Tag länger, bis er das erste Mal das Bett verließ. Er lieh sich Louis’ Krücke und versuchte, von der Schlafstatt bis zur Tür zu gehen. Er hätte nicht gedacht, dass es so schwer werden würde. Sein Körper war völlig entkräftet, und sein Bein schmerzte so sehr, dass ihm beinahe die Sinne schwanden. Schließlich mussten ihm Catherine und ein Knecht zum Bett zurückhelfen, denn allein hätte er es nicht geschafft.
Trotz dieser entmutigenden Erfahrung gab er nicht auf. Mindestens zweimal täglich nahm er die Mühsal auf sich, sein Lager zu verlassen und wenigstens fünf, sechs Schritte zu gehen. Er wusste, er würde nur zu Kräften kommen, wenn er sich regelmäßig bewegte.
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