Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
hohe Geldstrafen und Gefängnis. Also verabredeten sie sich in der Unterstadt, wohin sich kaum je ein Stadtbüttel verirrte, in der Schenke Les Trois Frères , deren Wirt für seine Verschwiegenheit bekannt war.
»Es wird Zeit, dass wir handeln«, sagte Gaspard mit leiser Stimme, nachdem der Letzte seiner Anhänger eingetroffen und verstohlen zu ihrer Nische in dem düsteren Schankraum gehuscht war. »Wenn wir noch länger warten, wird Bischof Ulman uns alle zugrunde richten.«
»Und wie?«, wandte Poupart ein. »Wir können nichts tun. Uns sind die Hände gebunden, bis wir eine Antwort von Herzog Simon und der Hofkanzlei haben.«
»Vergesst Simon und die Hofkanzlei«, erwiderte Gaspard. »Wir müssen uns selbst helfen.«
»Du hast einen Plan, oder?«, fragte Stephan Pérouse. Seine Hand, die Géroux’ Schläger zerschmettert hatten, war so gut wie geheilt, doch sie würde immer ein wenig steif bleiben.
»Es ist ein alter Plan. Ihr alle kennt ihn.«
Stephan und Raoul nickten. Ernaut war der Letzte, der verstand. Aus seinem Gesicht wich die Farbe.
»Ich weiß nicht, Gaspard …«, begann er zögernd.
»Wir hätten das schon längst tun sollen. Aber wir haben es immer wieder aufgeschoben – und warum? Weil wir feige waren! Das haben wir jetzt davon.«
»Was ist das für ein Plan?«, fragte Hernance Chastain.
»Das wüsste ich auch gern«, meinte Poupart.
»Wir sollten sie einweihen«, sagte Stephan.
»Zuerst will ich euer Wort, dass ihr Stillschweigen bewahrt über alles, was wir hier bereden«, verlangte Gaspard.
»Natürlich«, sagte Chastain, und Poupart nickte bekräftigend.
»Das genügt nicht.« Gaspard streifte das Halsband mit seinem Kruzifix über den Kopf und legte es auf den Tisch. »Hier. Schwört bei eurer Seele.«
»Ist das nicht etwas übertrieben?«, fragte Poupart.
»Schwört«, wiederholte Gaspard.
Die beiden Männer blickten einander an. Schließlich legte Chastain seine Schwurfinger auf das Silberkreuz und murmelte den Eid. Poupart tat es ihm nach, wenngleich zögernd.
»Mit vernünftigen Worten und Bittgesuchen verschwenden wir nur unsere Zeit«, erklärte Gaspard. »Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir Bischof Ulman zwingen. Gewalt ist alles, was er versteht.«
»Gewalt?«, fragte Poupart gedehnt.
»Wir entführen ihn und halten ihn so lange fest, bis er das Verbot der Gilde widerruft und uns endlich die Privilegien gewährt, die uns zustehen.«
Stille senkte sich herab. Der Wirt, der gerade einen Krug abtrocknete, spähte zu ihnen hinüber. Als Gaspard ihn anstarrte, schaute er hastig weg.
»Das ist verrückt«, sagte Poupart, woraufhin Ernaut zustimmend nickte.
»Du warst damals dabei, als wir diesen Plan entwickelten«, sprach Gaspard seinen alten Weggefährten an. »Was hast du plötzlich dagegen?«
»Das ist fast drei Jahre her«, verteidigte sich Ernaut. »Seitdem hat sich viel verändert. Ich dachte, wir hätten diesen Plan aufgegeben.«
»Hast du Angst?«, fragte Stephan herausfordernd. Er war stets der glühendste Verfechter dieser Idee gewesen.
»Natürlich. Ulman festzusetzen ist gefährlich. Wir machen uns damit auf einen Schlag sämtliche Ministerialen zum Feind, und obendrein den Erzbischof.«
»Also willst du das Verbot der Gilde einfach hinnehmen?«, fragte Gaspard. »Bist du jetzt genauso feige wie Duval und die anderen?«
»Nein, Gaspard, so ist es nicht …«
»Wenn wir jetzt nicht handeln, wird Ulman uns entmachten. Er wird uns all unsere Rechte nehmen und weiter die Steuern und Abgaben erhöhen, obwohl uns das Wasser schon jetzt bis zum Hals steht. Ist es das, was du willst?«
»Ich sage ja nur, dass wir vorsichtig sein müssen.« Ernaut senkte den Blick und schwieg.
Es bereitete Gaspard keine Befriedigung, seinen alten Freund abzukanzeln. Leider war es notwendig. In der gegenwärtigen Lage durfte er nicht zulassen, dass sich Zweifel und Furcht in den Herzen seiner Anhänger einnisteten.
Die harschen Worte gegen Ernaut zeigten Wirkung: Poupart meldete keine Bedenken mehr gegen den Plan an. »Wie wollt ihr vorgehen?«, fragte er.
»In den Palast einzudringen, ist vermutlich zu schwierig«, sagte Gaspard. »Wir müssen herausfinden, wann sich Ulman in der Stadt aufhält und wie viele Wachen und Diener bei ihm sind. Sobald sich eine günstige Gelegenheit ergibt, schlagen wir zu.«
»Ich habe gehört, dass er übermorgen Abend für die Brüder von Notre-Dame die Messe liest«, sagte Raoul. »Wahrscheinlich begleiten ihn nur sein Diener
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