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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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prächtigen Anwesen im Zentrum Speyers, gegenüber dem Dom, und leisteten sich eine ganze Schar von Hausbedienten.
    Obwohl seine Schimpftirade anderes hatte erwarten lassen, hatte er sich gleich nach Isabelles Ankunft auf die Suche nach einem Ehemann für sie gemacht. Natürlich hatte er nicht in Speyer gesucht – wenn sich herumgesprochen hätte, dass ein Mitglied seiner Familie eine verurteilte Ehebrecherin war, hätte das seinem Ruf als Kaufmann und Bürger geschadet. Stattdessen hörte er sich in den Dörfern am Rhein um, wo Bauern und Viehhirten wohnten, die keine großen Ansprüche an eine Frau stellten. Arbeiten und Kinder gebären sollte sie können, das war alles. Wenn das Weib außerdem eine großzügige Mitgift in die Ehe einbrachte, sah man gern darüber hinweg, dass sie keine Schönheit war oder, wie Isabelle, von dubioser Herkunft.
    Während Eberold die Umgebung Speyers bereiste, blieb Isabelle in der Stadt. Ihr Los war nicht ganz so hart wie in Varennes – man sperrte sie nicht in einer Kammer ein, sondern erlaubte ihr, sich im gesamten Haus und dem Hof frei zu bewegen. Verlassen durfte sie das Anwesen jedoch nicht. Zu groß war die Angst ihres Onkels und ihrer Mutter, sie könnte davonlaufen oder mit Michel Kontakt aufnehmen. Außerdem durchsuchten Gaspards Knechte ständig ihre Schlafkammer und ihre Habe, sodass es ihr nicht gelang, einen Brief an Michel zu schreiben, geschweige denn, ihn aus dem Haus zu schmuggeln.
    Gut zwei Wochen später kehrte Eberold zurück und präsentierte ihr ihren künftigen Gemahl. Es war ein freier Bauer, der einen großen Hof drei Wegstunden nördlich von Speyer besaß, in der Vogtei Altrip. Wie Eberold ihn dazu gebracht hatte, einer Heirat mit ihr zuzustimmen, behielt er für sich. Vermutlich war viel Geld geflossen. Oder Eberold hatte ihm Versprechungen gemacht. Versprechungen – darin war ihr Onkel gut.
    Der Mann war hochgewachsen und breitschultrig; er besaß misstrauische Augen, einen sorgfältig gestutzten Bart und ebenso kurzes braunes Haar. Thomasîn war sein Name. Falls er Anstoß an ihrem kurzen Haar oder ihrem geschwollenen Bauch nahm, so zeigte er es nicht. Überhaupt sprach er nur wenig, nachdem er sich vorgestellt hatte. Mit der Familie wechselte er kaum ein Wort, mit Isabelle gar keines. Den ganzen Abend saß er schweigsam da, klammerte sich an seinem Weinbecher fest und kommentierte Eberolds großspurige Geschichten mit einem gelegentlichen Nicken. Nur einmal wandte er sich Isabelle zu und musterte sie mit einem forschenden Blick. Sie kam sich vor wie ein Stück Vieh, das geschätzt und begutachtet wurde. Danach behandelte er sie wieder wie Luft.
    »Ich heirate diesen Mann nicht«, sagte sie später, als Thomasîn, der über Nacht blieb, zu Bett gegangen war.
    »Doch, das wirst du«, erwiderte Eberold. »Denn ein Besserer wird sich nicht finden. Thomasîn ist der einzige Mann im Umkreis von einer halben Tagesreise, der mich nicht schimpfend fortgejagt hat, als ich ihm sagte, was du auf dem Kerbholz hast. Falls du es noch nicht begriffen hast: Du bist keine geachtete Bürgerstochter mehr. Danke dem Herrn, dass dich überhaupt einer nimmt.«
    »Er hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, mit mir zu sprechen.«
    »Er ist eben von der schweigsamen Sorte. Trotzdem ist er ein guter Mann. Ich kenne ihn schon viele Jahre. Ehrlich, fleißig und angesehen bei den anderen Bauern der Gegend. Und obendrein wohlhabend.«
    »Ich lasse mich kein zweites Mal zur Hochzeit zwingen.«
    »Das werden wir ja sehen«, knurrte ihr Onkel.
    »Wenn ich vor dem Priester stehe, verfluche ich ihn und die ganze Zeremonie.«
    Tante Galienne bekreuzigte sich erschrocken, woraufhin sich Eberold vor Isabelle aufbaute.
    »Wenn du es wagst, dich den Wünschen deines Bruders zu widersetzen, sperre ich dich bis zur Geburt deines Bastards in den Dachboden und nehme dir das Balg weg, sowie die Nabelschnur durchtrennt ist. Ist das klar?«
    »Das ist lächerlich. Gaspard würde das nicht zulassen.«
    »Ach ja? Was glaubst du, was in seinem Brief steht? ›Gib das Kind in ein Kloster, wenn sich kein Mann für sie findet. Ich will keinen Bastard in der Familie.‹ Soll ich ihn holen, damit du dich selbst davon überzeugen kannst?«
    Isabelle hatte gedacht, Gaspard hätte ihr bereits alles angetan, was ein Bruder seiner Schwester antun konnte. Wie naiv sie doch gewesen war. Um weiteren Schaden von der Familie fernzuhalten, würde er vor nichts zurückschrecken. Was aus ihrem Kind wurde, kümmerte

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