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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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einzige Sorge. Verstohlen blickte er zu Géroux, der mit den anderen Ministerialen bei der Treppe stand und sich leise mit ihnen unterhielt. Der Münzmeister und seine Anhänger waren die Gewinner der Verhandlungen um die Zukunft der Stadt. Sie hatten all ihre Privilegien bewahrt und obendrein neuen Einfluss hinzugewonnen. Géroux war nun mächtiger als je zuvor. Duval konnte nicht behaupten, dass ihm das gefiel.
    Seine Anspannung wuchs, während die Minuten verstrichen. Einem Fürsten gegenüberzutreten, bedeutete stets ein unwägbares Risiko – man konnte nie sagen, was einen erwartete. Und Simon II. Châtenois, das wusste Duval nur zu gut, war mächtig genug, jeden Einzelnen von ihnen mit einem Handstreich zu vernichten, falls ihm der Sinn danach stand.
    Duval sehnte sich nach einem Becher Wein. Ein kühler Trunk hätte ihn gewiss beruhigt.
    Kurz darauf kam ein Diener und forderte die Kaufleute auf, ihm in den großen Saal zu folgen. Dort bearbeitete ein halbes Dutzend Schreiber Stapel von Schriftstücken, und nur das Knistern von Pergament und das Kratzen von Schreibfedern störten die Stille.
    Simon saß an einem mächtigen Eichentisch an der Stirnseite des Saales und studierte konzentriert ein Dokument, bei dem es sich, wie Duval feststellte, um die Statuten der Gilde handelte. Die Kaufleute verneigten sich tief vor ihrem neuen Stadtherrn.
    »Erhebt euch«, sagte Simon Châtenois mit rauer Stimme. Er war ein Mann von einundfünfzig Jahren, mit harten Zügen, schlankem Leib und muskulösen Armen. Man sagte ihm nach, er lege kaum je sein Schwert und sein Kettenhemd ab. Auch jetzt trug er Waffe und Rüstung, als wäre er nicht von ergrauten Gelehrten umgeben, sondern von mordlüsternen Feinden.
    »So gerechtfertigt Johanns Entscheidung war, die Kaufmannsgilde seinerzeit zu verbieten«, begann er ohne Umschweife, »so schädlich ist sie doch langfristig für diese Stadt. Der Wohlstand der Bürger erfordert Handel, und der Handel kann nur gedeihen, wenn sich die Kaufleute in einer Bruderschaft zur Pflege christlicher Traditionen zusammenschließen. Johanns Verbot ist hiermit aufgehoben, und ihr seid aufgerufen, eine neue Gilde gemäß der Statuten von 998 zu gründen.«
    Erneut verneigten sich die Kaufleute und murmelten ihren Dank.
    »Mir ist bewusst«, fuhr Simon fort, »dass es in der Vergangenheit reichlich Zwist zwischen euch gegeben hat. Daher befehle ich euch, alte Feindschaften zu begraben, einander zu vergeben und in Freundschaft die Hand zu reichen. Zum Vorsteher der Gilde ernenne ich auf Lebenszeit Jaufré Géroux, Meister der städtischen Münze und Schöffe im Kollegium der Zwölf.«
    »Habt Dank, Euer Gnaden«, sagte Géroux.
    Duval konnte nicht glauben, was er da hörte. Er fasste sich ein Herz und trat vor. »Mein Fürst, Ihr erlaubt?«
    Der Blick, mit dem Simon ihn bedachte, war nicht unbedingt wohlwollend. »Ihr seid?«
    »Charles Duval. Zu Euren Diensten.«
    »Nun denn, Herr Duval. Missfällt Euch meine Entscheidung?«
    »In der Gilde von Varennes-Saint-Jacques ist es seit jeher Tradition, dass die Mitglieder den Meister selbst bestimmen, in einer freien Wahl. So steht es auch in den Statuten. Bisher hat kein Fürst, weder Bischof noch Herzog, den Gildemeister ernannt, schon gar nicht, ohne Rücksprache mit den Schwurbrüdern zu halten.«
    »Dann ist es eben an der Zeit, die Statuten dahingehend zu ändern«, erwiderte der Herzog.
    Duval spürte, dass ihn der ganze Saal anstarrte, als er zögernd sagte: »Das ist ein Eingriff in die Eigenständigkeit der Gilde, der gewiss nicht im Sinne des Königs ist.«
    »Herr Duval«, meinte Simon, und seine Stimme bekam einen gefährlichen Klang. »Muss ich Euch wirklich daran erinnern, was dieser unselige Passus zu den Wahlmodalitäten vor anderthalb Jahren bewirkt hat? Chaos, Unruhe und Rebellion. Ich werde nicht zulassen, dass sich dergleichen wiederholt, nur weil die Mitglieder der Gilde nicht imstande sind, sich auf einen Vorsteher zu einigen.«
    »Dass es in der Stadt zu Chaos kam, lag nicht an der Wahl oder den Statuten – sondern daran, dass gewisse Leute fleißig Öl ins Feuer gossen«, fügte Duval mit Blick auf Géroux hinzu.
    »Habe ich Euch nicht gerade befohlen, die Vergangenheit ruhen zu lassen?«, entgegnete Simon. »Herr Géroux war viele Jahre lang Gildemeister, wie Ihr sehr wohl wisst, und während seiner Amtszeit kam es nie zu derartigen Vorfällen. Er hat sich als Garant für Ruhe und Stabilität erwiesen, und deshalb wird er der neue

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