Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
wieder, als sie in ihrem Anwesen die Treppe hinaufstiegen.
»Noch einen Becher Wein zum Aufwärmen?«
»Gern.«
Kurz darauf saßen sie in der Stube am Kaminfeuer. Kalter Wind pfiff um das Haus, und eine Magd legte Holz nach, nachdem sie den Wein gebracht hatte.
»Ihr seid also fest entschlossen, mich zu verlassen?«, meinte Catherine.
Michel nickte. »Vorausgesetzt, der Propst überlegt es sich nicht noch einmal anders.«
»Kann ich Euch irgendwie umstimmen? Wollt Ihr mehr Lohn?«
Er lächelte. »Ihr habt mich anständig bezahlt. Darum geht es nicht, Catherine. Ich bin ein Kaufmann – ich brauche mein eigenes Geschäft. Ich bin nicht dafür geschaffen, für andere zu arbeiten. Über kurz oder lang würden wir uns zerstreiten, glaubt mir.«
»Ihr wollt wirklich noch einmal von vorne anfangen? Nach allem, was passiert ist?«
»Ich bin nicht der erste Kaufmann, der alles verloren hat und einen Neuanfang wagt.«
»Aber der Erste, der ohne Unterstützung der Gilde zurechtkommen muss. Géroux und de Guillory werden Euch das Leben schwermachen, wo sie nur können.«
»Sollen sie. Sie haben schon oft versucht, mich zu vernichten, und ich bin immer noch da.«
Sie nippte an ihrem Wein und blickte ihn über den Rand des Kelches hinweg an. Sie hatte dunkelgrüne Augen, rätselhaft und unergründlich wie zwei verwunschene Teiche. Nicht zum ersten Mal dachte er, dass sie immer noch eine schöne Frau war, in keiner Weise verhärmt und verbraucht wie viele andere Menschen ihres Alters.
»Es gäbe noch einen anderen Weg zu einem eigenen Geschäft – einen leichteren«, sagte sie. »Heiratet mich.«
»Catherine …«, begann Michel, doch sie ließ ihn nicht ausreden.
»Gewiss, ich könnte Euch keine Kinder mehr gebären, und schicklich wäre es auch nicht, immerhin könnte ich Eure Mutter sein. Aber zum Teufel damit! Sollen die Leute reden. Wichtiger ist doch, dass uns eine tiefe Freundschaft verbindet und wir uns in geschäftlichen Dingen glänzend ergänzen. Seit dem Tod meines Gemahls habe ich keinen Mann getroffen, der so gut zu mir passte wie Ihr. Gemeinsam könnten wir es mit der ganzen Stadt aufnehmen.«
Michel stellte seinen Kelch auf den Tisch. Seine nächsten Worte überlegte er sich sehr genau. »Ich weiß Eure Offenheit zu schätzen, Catherine, und ich bin sicher, Ihr wärt mir eine gute Ehefrau. Dennoch kann ich Euer Angebot nicht annehmen.«
»Stößt Euch mein Alter ab?«
»Nein«, antwortete er und meinte es ehrlich. »Unter anderen Umständen würde ich Euch ohne zu zögern zur Frau nehmen. Aber so, wie die Umstände sind, wäre das nicht aufrichtig.«
»Weil Euer Herz immer noch ihr gehört?«
»Ja.« Er hatte Catherine gegenüber nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er nach wie vor etwas für Isabelle empfand und sie besuchte, wann immer es seine Arbeit als fattore zuließ.
»Ihr hört also nicht auf zu hoffen, dass sie eines Tages Euer sein wird?«
»Hoffen ist alles, was ich tun kann.«
»Vielleicht wäre es klüger zu akzeptieren, dass das nicht geschehen wird.«
»Das kann ich nicht.«
»Selbst wenn das nur immer neuen Schmerz bedeutet?«
»Isabelle und ich sind füreinander bestimmt«, sagte er. »Das zu wissen, macht den Schmerz erträglich.«
Sie lächelte traurig. »Manchmal frage ich mich, ob Ihr sehr weise seid – oder sehr dumm. Ich wünsche Euch, dass Ihr eines Tages Euer Glück finden werdet, Herr de Fleury. Auf welche Weise auch immer.«
Sie nippte schweigend an ihrem Kelch und blickte in die Flammen, deren Schein gelb und rot und orange auf ihrem Gesicht lag, wie eine Maske, die ihre Gedanken und Gefühle verhüllte.
Am nächsten Morgen kam ein Bevollmächtigter des Dompropstes und überbrachte die versprochene Summe für das Hausgrundstück. Anschließend zog sich Michel in seine Kammer unter dem Dach zurück und zählte seine Barschaft. Obwohl Catherine wie alle Kaufleute darunter litt, dass es keine Gilde mehr gab und de Guillory wieder den einzigen Zugang zur Saline kontrollierte, waren ihr im vergangenen Jahr einige lukrative Geschäfte geglückt. Als ihr fattore hatte Michel gut verdient, denn Catherine hatte ihm gestattet, hier und da Handel auf eigene Rechnung zu treiben, sodass er einen ansehnlichen Betrag hatte zurücklegen können. Mit dem Erlös aus dem Verkauf der Parzelle besaß er nun über fünfzig Pfund Silber. Genug, um endlich ein neues Geschäft zu eröffnen.
In den nächsten Tagen kaufte er einen Wagen, einen Zugochsen, zwei junge Saumpferde
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