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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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das Feld zu überlassen. Doch er sah keinen anderen Weg. In Varennes hatte er keine Zukunft mehr.
    Also stürzte er sich mit Feuereifer in die Arbeit. Gemeinsam mit Catherine oder in ihrem Auftrag unternahm er Reisen in die Champagne und nach Burgund und handelte mit Salz, Tuchen, englischer Wolle und fremdländischen Gewürzen, sodass er jeden Monat eine stattliche Summe beiseitelegen konnte. Isabelle und Rémy konnte er deswegen nur einmal besuchen, bevor der Sommer kam. Es gelang ihm, sich mit ihnen während einer Handelsreise nach Worms zu treffen, nachdem er ihr Wochen zuvor eine Nachricht zu der Herberge am Holzmarkt gesandt hatte, wohin er nach wie vor all seine Briefe schickte. Catherine erzählte er nichts von seinem Abstecher nach Speyer, aus Rücksicht auf ihre Gefühle.
    Rémy hatte sich prächtig entwickelt, seit Michel ihn das letzte Mal gesehen hatte. Der Junge war nun dreizehn Monate alt, hatte Zähne bekommen und konnte bereits laufen, obwohl er noch recht wackelig auf den Füßen war. Gelegentlich fiel er hin, doch selbst schmerzhafte Stürze entmutigten ihn nicht; stets stand er ohne Hilfe auf und watschelte unerschrocken weiter. Michel, der neben Isabelle an ihrem Stammplatz bei der Quelle saß, konnte sich kaum an dem kleinen Mann sattsehen.
    Plötzlich hob Rémy seine knubbelige Hand und deutete auf die grasenden Rinder auf den Weiden. »Kuh.«
    Michel war wie vom Donner gerührt. »Hat er das eben wirklich gesagt?«
    Isabelle lächelte. »Ja, er hat vorigen Monat angefangen zu sprechen. ›Kuh‹ und ›Mama‹ sind seine ersten Wörter. Er sagt sie andauernd.«
    Als wolle er ihnen sein neues Können beweisen, wandte sich Rémy zu ihnen um und sagte freudestrahlend: »Mama!«
    Michel konnte nur mit Mühe Tränen der Rührung unterdrücken. »Wie hat es angefangen? Ich will alles wissen, alles, jede Einzelheit!«
    »›Kuh‹ hat er zuerst gesagt. Ich war leider nicht dabei … er war gerade mit Thomasîn im Stall«, fügte Isabelle verlegen hinzu.
    »Dein Thomasîn ist ein richtiger Glückspilz, was?«, murmelte er. Er konnte nicht sagen, wie sehr er Isabelles Gemahl dafür beneidete, dass er Rémy Tag für Tag um sich hatte und den Jungen aufwachsen sah.
    Sie streifte ihn mit einem Blick. »Hör auf.«
    »Womit?«
    »Auf Thomasîn eifersüchtig zu sein. Das ist albern.«
    »›Albern‹ nennst du das?« Er machte keinen Hehl aus seinem Verdruss. »Er muss nicht fünfzig Wegstunden reiten, wenn er Rémy sehen will. Dabei ist Rémy nicht einmal sein Sohn.«
    »Michel …«
    »Und der Kerl teilt Nacht für Nacht mit dir das Bett«, fuhr er fort. »Wie würdest du es finden, wenn ich bei einer anderen läge?«
    »Ich habe dir doch gesagt, dass er mich nicht anrührt.«
    »Immer noch nicht?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Michel rupfte ein Büschel Löwenzahn heraus und zerrieb die Blätter zwischen den Fingern. Obwohl er wusste, dass Isabelle ihn nie anlügen würde, fiel es ihm schwer zu glauben, dass Thomasîn nur einmal in der Hochzeitsnacht bei ihr gelegen hatte, und danach nie wieder. Sie war eine wunderschöne Frau, und die Männer waren verrückt nach ihr. »Sagst du das nur, damit ich mich nicht ganz so miserabel fühle?«
    »So ein Unsinn. Du weißt, dass ich das nicht tun würde.«
    »Dann frage ich mich, was mit ihm nicht stimmt.«
    Sie zuckte nur mit dem Schultern. Michel warf die Löwenzahnblätter von sich, und schweigend schauten sie Rémy dabei zu, wie er die Welt entdeckte.
    Nach einer halben Stunde wurde der Junge müde, und Isabelle legte ihn auf eine Decke. Während sie ihm ein Schlaflied sang, ließ Michel seinen Blick über ihr Gesicht gleiten, ihr Haar, ihre Lippen, ihren Nacken. Er verzehrte sich danach, sie zu lieben, gleich hier im Gras, neben der Quelle. Als Rémy eingeschlafen war, wollte er sie küssen, doch sie wandte sich von ihm ab, wieder einmal.
    »Nicht, Michel«, sagte sie leise. »Du weißt doch, dass das nicht geht.«
    »Es ist so lange her, dass ich dich berührt habe.«
    »Lass uns vernünftig sein. Bitte. Stell dir vor, man würde uns sehen. Was würde dann aus Rémy?«
    »Allmählich habe ich es satt, immerzu vernünftig zu sein.«
    »Bitte, Michel«, sagte sie noch einmal und ergriff seine Hand. »Irgendwann. Aber nicht jetzt.«
    Er betrachtete die Wolkenfetzen, die quälend langsam über den blassblauen Himmel zogen wie leckgeschlagene Schiffe über eine windstille See. »Ich muss jetzt gehen«, sagte er schließlich und erhob sich.
    »Schon? Du bist doch

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