Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
gehabt deine Leibrente und die Hälfte aller Einnahmen. Ich kann ein Darlehen aufnehmen …«
»Hör auf. Das führt doch zu nichts. Dass es so weit gekommen ist, war auch mein Fehler.«
»Jean …«, begann Michel.
»Doch, war es. Wäre ich dageblieben, hätte ich dich schützen können. Jetzt genug davon. Vergessen wir die Vergangenheit und schauen wir nach vorne.«
»Hab Dank, mein Bruder.« Michels Stimme versagte. Er stand auf, und im Schein der Flammen, die knisternd an den Holzscheiten leckten, reichten sie einander die Hand.
Michel bat Catherine, allein nach Troyes zu reisen, damit Jean und er mehr Zeit miteinander verbringen und Pläne für die Zukunft schmieden konnten. Michel erzählte seinem Bruder von seinem Vorhaben, nach Metz zu gehen und dort ein neues Geschäft zu eröffnen, sowie er genug Geld gespart hatte. Jean war sofort Feuer und Flamme und wollte wieder mit ihm zusammenarbeiten. Er sehne sich nach dem einfachen Leben als sein Gehilfe, sagte er, und könne es kaum erwarten, wieder mit dem Salzschiff auf der Mosel zu fahren und die Märkte Frankreichs und Burgunds zu besuchen, ganz wie in alten Zeiten.
Ihre Schwester Vivienne jedoch hatte eine gänzlich andere Idee.
Michel hatte einen berittenen Boten zu ihr geschickt und sie benachrichtigt, dass Jean zurückgekehrt sei. Vivienne, ihr Mann Bernier und ihre Kinder Étienne und Guillemette waren daraufhin nach Varennes gekommen, um mit der ganzen Familie Jeans Heimkehr zu feiern.
Als Vivienne am nächsten Morgen von ihren Plänen hörte, fragte sie: »Wieso tritt Jean nicht der Gilde bei?«
»Welche meinst du?«, erwiderte Michel verständnislos. »Eine der Gilden von Metz?«
»Nein, die Kaufmannsgilde von Varennes. Dir kann Géroux vielleicht die Mitgliedschaft verwehren, aber Jean nicht. Oder sehe ich das falsch?«
»Ich denke nicht«, sagte Michel baff.
»So könntet ihr Géroux ein Schnippchen schlagen und trotzdem ein neues Geschäft aufbauen. Schließlich ist es einerlei, wer von euch beiden der Gilde angehört, oder?«
Jean verzog zweifelnd den Mund. »Ihr wisst doch, dass ich nicht zum Kaufmann tauge. Ich kann kein Geschäft führen. Zumindest nicht so gut wie Michel.«
»Aber das musst du doch gar nicht!« Michel konnte nicht fassen, dass diese Idee nicht ihm gekommen war. Sie war so naheliegend, so offensichtlich. Er sprang auf und schritt in der Stube umher. »Es genügt, wenn du unser Geschäft in der Gilde vertrittst. Ich kann weiterhin die geschäftlichen Entscheidungen treffen – als dein fattore . Das wäre nicht einmal ein Verstoß gegen die Statuten. Es steht ja nirgendwo geschrieben, dass alle Teilhaber der Gilde beitreten müssen. Es reicht, wenn einer es tut.« Er hieb mit der flachen Hand auf den Tisch. »Schwester, ich könnte dich küssen – du bist brillant! Géroux wird kochen.«
»Stets zu Diensten«, sagte Vivienne lächelnd und sah nach ihrer Tochter, die beim Stillen eingeschlafen war. Guillemette war im März zur Welt gekommen und anders als ihr unverwüstlicher Bruder Étienne klein und zart – ein Sorgenkind. Beinahe hätte sie die ersten Wochen nach der Geburt nicht überstanden, doch allmählich entwickelte sie sich gut.
»Du gehst gleich heute Abend zu Géroux und ersuchst ihn um Aufnahme in die Gilde«, sagte Michel. »Beim heiligen Jacques, ich wünschte, ich könnte dabei sein. Ich würde so gern sein Gesicht sehen.«
Jeans Begeisterung hielt sich in Grenzen. »Ich weiß nicht, Michel … Die Gildenpolitik, die ständigen Intrigen und Machtkämpfe – das ist nichts für mich. Du kennst mich doch: Irgendwann reißt mir der Geduldsfaden, und ich gehe Géroux an die Kehle.«
»Du kommst damit schon zurecht. He, du hast einen Kreuzzug überstanden!«
»Das war etwas anderes. Außerdem bezweifle ich, dass es so einfach ist, wie ihr sagt. Géroux wird alles daran setzen, meine Aufnahme in die Gilde zu verhindern.«
»Natürlich. Aber was soll er tun? Ausnahmsweise ist das Recht einmal auf unserer Seite.«
»Davon abgesehen bist du ein Held«, meldete sich Bernier zu Wort.
»Blödsinn«, sagte Jean.
»Doch, bist du«, beharrte ihr Schwager. »Als ich heute Morgen auf dem Markt war, hat man an jeder Ecke über dich geredet. Du warst dabei, als Barbarossa starb. Du hast dein Leben riskiert, um seines zu retten.«
»Aber ich habe versagt!«
»Na und? Ein Bursche aus Varennes-Saint-Jacques hat sich gegen den Lauf der Welt gestellt. Das ist alles, was die Leute interessiert. Das weiß auch
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