Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
stoßen. Mit einem entschlossenen Schwertstreich trennte Michel die Spitze der Pike ab, woraufhin sein Gegner den gesplitterten Schaft wie einen Knüppel führte und ihn mit wütenden Hieben eindeckte. Michel wollte ihn über den Haufen reiten, doch der Mann klammerte sich an seinem Bein fest, und er drohte aus dem Sattel zu rutschen.
»Ich stech dich ab, Geldsack!«, zischte der Mönch, der plötzlich ein Messer in der Hand hielt. Michel stieß mit dem Schwert zu. Die Klinge drang dem Vogelfreien zwischen Schlüsselbein und Adamsapfel in den Hals und glitt so leicht durch den ausgemergelten Körper wie eine heiße Nadel durch einen Klumpen Butter.
Michel riss das Schwert zurück, und eine Blutfontäne schoss aus der Wunde. Mit einem gurgelnden Laut brach der Mönch zusammen. Im gleichen Augenblick griff ihn ein weiterer Räuber an. Michel kreuzte mit ihm die Klingen und wehrte Streich um Streich ab, ehe sich der Mann auf einmal abwandte und in den Wald floh.
Auch die anderen Räuber ergriffen die Flucht, nachdem die Söldner und Knechte gut ein halbes Dutzend ihrer Gefährten niedergemacht hatten. Einer der Söldner legte mit der Armbrust an, das Gesicht eine Grimasse der Rachsucht, und schoss einem der Flüchtenden in den Rücken.
»Aufhören!«, rief Michel.
Von einem Moment auf den nächsten waren die Kampfgeräusche verstummt, und Stille lag über der Straße.
Jemand stöhnte.
Michels Atem ging keuchend, als er sich umblickte. Es dauerte einen Moment, bis sich seine Verwirrung legte und er die Lage erfasste. Im faulenden Laub, zwischen Wagen und Farnwedeln, lagen Tote und Sterbende – ausnahmslos Geächtete. Yves und seine anderen Reisegefährten schienen schlimmstenfalls Kratzer und Prellungen erlitten zu haben. Lediglich der Söldner, der zu Beginn von einem Armbrustbolzen getroffen worden war, war schwerer verletzt. Er kauerte gegen ein Wagenrad gelehnt und nickte schwach, als ihn der Hauptmann ansprach.
Michel schwang sich aus dem Sattel und eilte zu den beiden Männern. »Wie geht es ihm?«
»Halb so wild«, sagte der Hauptmann. »Nichts, was ein guter Wundarzt nicht wieder hinbekommt.«
Michel kniete sich neben den Verwundeten. »Kann ich etwas tun?«
»Überlasst das mir, Herr.«
Der Hauptmann blickte seinem Untergebenen in die Augen. Als der Mann abermals nickte, umfasste der Söldnerführer mit grimmiger Miene den Schaft des Bolzens. Michel sah, dass das Kettenhemd und der Gambeson das Schlimmste verhindert hatten: Der Bolzen war kaum in die Brust des Söldners eingedrungen und hatte vermutlich weder Rippen noch innere Organe verletzt. Dafür hatte der Mann reichlich Blut verloren.
Ein Schrei gellte durch den Wald, als der Hauptmann den Bolzen aus der Wunde zog.
Michel half Yves, der wie er gänzlich unverletzt war, die Blessuren der anderen zu versorgen. Dabei dankte er dem Herrn, dass sie so glimpflich davongekommen waren. Obwohl ihnen die Vogelfreien knapp zwei zu eins überlegen gewesen waren, hatten sie den Angreifern dank ihrer guten Bewaffnung und ihrer Besonnenheit die Stirn bieten und die ausgehungerte und geschwächte Horde schließlich in die Flucht schlagen können. Es war jedoch auch eine gehörige Portion Glück dabei gewesen. Hätten die Bogenschützen der Gesetzlosen gleich den Hauptmann und zwei, drei weitere Söldner getötet, wären es jetzt gewiss Michel und seine Knechte, die in diesem nebelverhangenen Wald ihr Leben aushauchten.
»Ihr habt Euch wacker geschlagen, Herr«, sagte Yves, nachdem sie den verletzten Söldner auf einen Wagen gebettet hatten. »Piken sind tödliche Waffen. Es war klug von Euch, die Spitze abzuhacken.«
Michel nickte nur. Er wollte nicht daran erinnert werden, was er gerade getan hatte, und vermied es, die Leiche des Mönchs anzuschauen.
»Wir sollten weiter, Herr«, drängte der Hauptmann mit Blick auf die kahlen Bäume.
»Schafft es dein Mann bis zur nächsten Ortschaft?«
»Begue ist ein zäher Bursche. Wenn die Wunde nicht brandig wird, wird er es überstehen.«
Michel stieg in den Sattel, und der Tross setzte sich zügig in Bewegung. Zwar hätte er die Toten gerne begraben, wie es Christenpflicht gewesen wäre, doch die Gefahr war zu groß, dass die Räuber mit Verstärkung zurückkamen. Besser, sie durchquerten diesen düsteren Forst so schnell wie möglich.
Nach zwei Wegstunden erreichten sie den Waldrand, und von da an verlief die Römerstraße durch lichtes Gelände oberhalb der Mosel. Die Gesetzlosen griffen nicht noch einmal
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