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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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für ihren Zwist finden. Doch wie so oft hatten letztlich Rachsucht und Machtgier über Weisheit und Vernunft gesiegt.
    »Was heißt das für Oberlothringen?«
    »Das hängt ganz davon ab, wie Herzog Simon sich verhält. Wenn er neutral bleibt, wovon ich ausgehe, bleiben wir unter Umständen vom Krieg verschont. Aber wer weiß schon, was in diesen gekrönten Häuptern vorgeht. Vielleicht brennt Simon ja darauf, in die Schlacht zu ziehen. Heiliger Jacques, was ist das nur für ein elender Tag! Ich brauche dringend etwas zu trinken.«
    Ohne ein Wort des Abschieds schlurfte Duval davon.
    In den nächsten zwei Wochen erreichten Varennes beinahe täglich neue Nachrichten vom Krieg. Wie es schien, tobten die Kämpfe hauptsächlich im Nordwesten des Reiches. Einen Sieger gab es nicht; mal triumphierte Philipp, mal Otto. Dies, dachte Michel, wird ein langer Krieg.
    Wenigstens erfüllte sich Duvals Vorhersage, und das Haus Châtenois hielt sich aus dem Zwist heraus. Wenngleich Herzog Simon ein Staufer war und seine Treue Philipp von Schwaben galt, schien er keinen Sinn in diesem so törichten wie blutigen Bruderkrieg zu sehen und beschloss abzuwarten, bevor er Stellung bezog. Der Rat von Metz und die anderen Mächtigen Oberlothringens sahen es ähnlich, sodass der Krieg vorerst Michels Heimat fernblieb.
    Die Ereignisse der letzten Jahre hatten die Bewohner Varennes’ abgestumpft gegenüber Not und Elend; sie hatten gelernt, ihr Herz vor dem Leid anderer zu verschließen und trotz der Angst vor der Zukunft weiterzuleben. So war es auch diesmal. Als die Nachrichten von den Schlachten am Niederrhein seltener wurden, kehrte der Alltag nach Varennes zurück. Die Leute gingen wieder ihrer Arbeit nach, badeten in der Mosel und spielten mit ihren Kindern, als wäre dies ein Sommer wie jeder andere.
    Michel unternahm die geplante Handelsreise, tat sich mit Duval und dem jungen Voclain zusammen und zog mit ihnen nach Metz. Wie gehabt, versuchten de Guillorys Männer, ihn zu behindern, doch die Gilde schützte ihn wirkungsvoll, sodass alle Angriffe ins Leere liefen. Sein Haus wurde nicht noch einmal überfallen. De Guillory schien begriffen zu haben, dass er so nicht weiterkam.
    Auf dem Place de Vésigneul machten sie gute Geschäfte. Wegen des Krieges konnten sich die Messiner Waffenschmiede und Sarwürker vor Aufträgen kaum retten und produzierten Schwerter, Schilde, Kettenpanzer, Helme, Lanzenspitzen, Äxte, Morgensterne en masse . Der Handel mit Kriegsgerät versprach hohe Gewinne, Michel, Duval und Voclain waren sich jedoch einig, dass man Blut an den Händen hätte, wenn man Mordwerkzeug an den Niederrhein verkaufte. Michels alte Schwurbrüder aus der Gilde von Metz kannten derartige Skrupel nicht: Ganze Wagenladungen Waffen und Rüstungen ließen sie nach Nordosten schaffen, um wahlweise Philipp oder Otto oder beide auszurüsten. Michel widerten sie an, wie sie da vor der Gildehalle standen und sich die Hände rieben in Erwartung fetter Erträge.
    Eines Abends auf dem Weg zur Herberge hörte er jemanden seinen Namen rufen. Er wandte sich um und erblickte Sybille Aspremont, die die Gasse heraufkam. Sie hatte sich bei einem gut gekleideten jungen Mann untergehakt; ein Gebinde verhüllte ihre üppigen roten Locken, dazu trug sie einen Surcot aus dünnem Tuch, der ihre Figur vorzüglich zur Geltung brachte.
    »Michel.« Sie strahlte ihn an. »Wie schön, dich zu sehen.«
    Er küsste ihr die Hand. »Gut siehst du aus. Wie ist es dir ergangen?«
    »Diese Hitze! Sie macht mich noch verrückt. Und die Männer langweilen mich. Krieg, Krieg, Krieg, von früh bis spät. Sie reden über nichts anderes mehr. Ist das nicht grässlich?«
    »Sybille«, meinte der junge Mann. »Willst du uns nicht miteinander bekannt machen?«
    »Bei der Heiligen Jungfrau Maria, wo sind nur meine Manieren? Michel, das ist Godefroi Romilly. Godefroi – Michel de Fleury aus Varennes-Saint-Jacques.«
    Romilly nickte knapp.
    »Seid Ihr mit Philippe Romilly von der Tuchhändlergilde verwandt?«, fragte Michel.
    »Er ist mein Onkel«, lautete die kühle Antwort.
    Wie alt mochte der Bursche sein? Zwanzig? Einundzwanzig? An der Art, wie er Sybille anschaute, war unschwer zu erkennen, dass er sie vergötterte. Michel unterdrückte ein Lächeln. Natürlich hatte sie nicht lange um ihn getrauert. Und sie hatte einmal mehr Geschmack bewiesen: Romilly sah gut aus und besaß offensichtlich Geld, wenngleich ein derart junger Liebhaber sogar für Sybilles Verhältnisse gewagt

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