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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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einem peinlichen Ausbruch im Dom habe bewahren können.
    »Habt Ihr Euch entschieden, Madame?«, fragte der Schmiedelehrling.
    Madame – jeder in Altrip nannte sie so. Was als gutmütiger Spott begonnen hatte, hatte sich längst verselbstständigt.
    »Ich überlege noch. Diese beiden sehen gut aus.«
    »Macht vier Pfennig das Stück.« Isabelle entging nicht, dass der Bursche sie mit Blicken verzehrte.
    Als sie gerade ihr Geld hervorholte, drangen Rufe an ihr Ohr.
    »Soldaten! Ottos Streitmacht rückt an. Sie plündern alles. Lauft um euer Leben!« Ein Junge von vierzehn, fünfzehn Jahren rannte über den Platz und wedelte mit den Armen. »Beeilt euch!«, brüllte er. »Sie sind gleich hier.«
    Unruhe machte sich unter den Dörflern breit. Eine Frau begann zu schluchzen und presste ihren Säugling an sich. Mehrere reckten die Köpfe, auch Isabelle, doch in der Ferne war nichts zu sehen.
    »Bleibt ruhig«, sagte der Schultheiß und übertönte das Stimmengewirr. »Geht nach Hause und verrammelt Fenster und Türen.«
    Seine Mahnung half nichts. Keinen Herzschlag später rannten die Dörfler durcheinander, schrien, stießen die Tische mit den Waren um. Isabelle bahnte sich einen Weg durchs Gedränge und rief nach Rémy.
    Ihr Sohn stand verloren vor der Scheune; seine Freunde hatten sich bereits aus dem Staub gemacht.
    »Komm.« Sie ergriff seine Hand. »Wir müssen nach Hause, Vater und die anderen warnen.«
    »Werden die Soldaten Altrip niederbrennen?«, fragte er, während sie aus dem Dorf eilten.
    »Bete, dass Gott uns schützt.«
    »Ich will nicht, dass Quirin und Jakob etwas zustößt!«
    »Bestimmt sind sie längst in Sicherheit. Jetzt komm, Rémy. Wir müssen uns beeilen.«
    Als sie die Anhöhe hinaufliefen, sah Isabelle im Süden Rauch aufsteigen. Speyer?, dachte sie mit einem eisigen Ziehen im Magen. Nein, der Rauch war zu nah. Vermutlich einer der Weiler am Flussufer.
    Reiter jagten über die Ebene, gepanzerte Ritter in grünen Röcken. Auf ihren Schilden befand sich ein Wappen, das Isabelle nicht kannte, ein schwarzer Eber mit bösartigen Hauern. Im Galopp näherten sie sich Altrip, zwanzig, dreißig, vielleicht noch mehr. Eine halbe Meile weiter im Süden erschienen Fußsoldaten zwischen den Bäumen, eine ganze Streitmacht mit Bannern, Ochsenwagen und Lasttieren.
    Wieso kam der Krieg plötzlich in ihre Heimat? All die Monate war er doch fern gewesen, hatte weit im Norden getobt, in Brabant, Westfalen und Thüringen. Einmal mehr verfluchte Isabelle die Abgeschiedenheit von Thomasîns Hof, wo sie von allen Nachrichten abgeschnitten waren. In Speyer wusste man vermutlich seit Tagen, dass Ottos Streitmacht nahte, und hatte Vorkehrungen treffen können. Hier draußen hingegen war man der plündernden Horde schutzlos ausgeliefert.
    Isabelle wusste nicht, wie die Stadt Speyer und die Vogtei Prüm zum Gegenkönig standen, ob sie ihn anerkannten oder nicht – kaum jemand überschaute das verworrene Bündnisgeflecht dieses Krieges. Es war ohnehin kaum von Belang. Was immer Ottos Heer in diese Gegend geführt hatte, die Soldaten waren ausgehungert vom langen Winter und würden sich holen, was sie brauchten, gleichgültig, ob sie hier auf Freund oder Feind trafen. Isabelle konnte nur hoffen, dass die Krieger Thomasîns Gehöft übersahen. Vielleicht, dachte sie, finden sie in Altrip genug Essen und ziehen weiter, ohne uns zu behelligen. Es war ein widerwärtiger Gedanke, für den sie sich schämte – die Bewohner Altrips waren brave Christen, die solch ein Schicksal nicht verdient hatten. Und doch war es ihre einzige Hoffnung für ihre kleine Familie.
    Als der Hof in Sicht kam, lief sie schneller; Rémy hatte Mühe, mit ihr Schritt zu halten. Sie würden sich im Wald verstecken, bis die Soldaten fort wären. Sie hatten genug Vorräte im Haus, dass sie einige Tage überstehen konnten. Wenn sie sich beeilten, konnten sie vielleicht sogar ein paar ihrer Tiere vor den Plünderern retten.
    Was war das für ein Pferd? Es stand hinter dem Stall, sodass Isabelle nur das Hinterteil sehen konnte. Es schlug mit dem Schwanz. Rufe drangen an ihr Ohr, raue Stimmen, die sich einer fremden Sprache bedienten.
    Ein Mann erschien neben dem Pferd, ein Krieger, der ein Kettenhemd, schwere Stiefel und einen spitzen Helm trug. Bevor er sie sehen konnte, zog Isabelle Rémy ins Gebüsch, duckte sich und presste ihren Sohn an sich.
    Der Soldat bellte einen Befehl, woraufhin zwei weitere Kriegsknechte auftauchten, Streitäxte in den

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