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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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umklammerten ihn. Aus seinem Mund schoss eine Blutfontäne, dann brach er zusammen und fiel in den Schnee.
    Inzwischen hatten alle Flamen ihre Waffen gezogen. Der Anführer brüllte einen Befehl, woraufhin drei Männer Boso und die Mägde auf die Knie zwangen und mit ihren Schwertern in Schach hielten. Drei weitere rannten zum Kornspeicher und schauten nach, ob sich dort weitere Feinde verbargen. Als sie nichts fanden, kehrten sie zurück, die Söldner stiegen in die Sättel und ritten mit den gestohlenen Vorräten und Krimhilde davon.
    Boso und die Mägde waren so verängstigt, dass sie nicht aufzustehen wagten. Allein Thomasîn erhob sich, obwohl er immer noch Schmerzen litt. Sein Blick fand Winand. Er setzte sich in Bewegung, zunächst langsam und schlurfend, als müsse sein massiger Körper erst in Gang kommen – dann immer schneller. Er eilte über den Hof, fiel neben Winand auf die Knie. Schob ihm die Hände unter die Achseln, presste ihn an sich und umschlang ihn mit beiden Armen, während Winands Blut den Schnee rot färbte. Thomasîn senkte den Kopf und vergrub sein Gesicht in Winands Haar. Seine Schultern bebten, und Isabelle vernahm einen tierhaften, winselnden Laut.
    Er weint. Bei Gott, er weint. Noch nie hatte er das getan, in all den Jahren ihrer Ehe nicht.
    Ihr wurde bewusst, dass sie stand, obwohl sie sich nicht daran erinnern konnte, sich aufgerichtet zu haben. Rémy!, durchfuhr es sie, und mit unsicheren Schritten eilte sie zu ihrem Sohn, der immer noch in seinem Versteck kauerte.
    »Mutter«, sagte er, als sie in die Hocke ging und ihn in die Arme schloss. »Was ist passiert?«
    Der Junge zitterte am ganzen Körper. Sie dankte Gott, dass er von hier aus nicht gesehen hatte, was geschehen war.
    »Schau nicht hin«, flüsterte sie und rieb ihm über das Haar. »Alles wird gut, mein Schatz. Alles wird gut.«
    G RAFSCHAFT A UVERGNE
    A m Morgen war wieder so viel Schnee gefallen, dass Michel kaum die Tür aufbekam, als er nach dem Mittagsmahl die Herberge verlassen wollte. Ächzend stieß er sie auf und trat, in einen dicken Wollmantel gehüllt, ins Freie. Seine Stiefel versanken in der weißen Masse. Es schneite noch immer, dicke Flocken, die so dicht fielen, dass er die Hütten auf der anderen Seite des Dorfplatzes allenfalls schemenhaft erkennen konnte.
    Er zog seine Kapuze auf und blickte zu den Basaltfelsen, die die Ortschaft umgaben, turmhohe Schatten inmitten des Schneetreibens. Keine Menschenseele war zu sehen. Die Bewohner Murats waren klug genug, bei diesem Wetter in ihren Hütten zu bleiben und sich am Herdfeuer zu wärmen.
    Irgendwo in den Bergen heulte ein Wolf. Ein zweiter antwortete mit klagendem Winseln.
    Michel machte sich nicht die Mühe, zu den Scheunen hinter dem Dorfbrunnen zu gehen, wo ein breiter Weg zum Flusstal hinunterführte – er wusste auch so, was er dort vorfinden würde: Schneemassen, inzwischen wohl gut zwei Ellen tief, die den Karrenpfad für ihre Wagen und Saumtiere unpassierbar machten, auf Wochen, wenn sie Pech hatten. »Isoré und seine Ungeduld sollen verdammt sein«, murmelte er, während er wieder hineinging.
    Dabei hatte diese Handelsreise durchaus vielversprechend begonnen. Nachdem Michel Mitte November aus Altrip zurückgekehrt war, wo er Rémy besucht hatte, war er mit Le Roux, Deforest und de Neufchâteau nach Aurillac im Westen der Auvergne aufgebrochen. Eigentlich war es bereits zu spät für eine lange Reise gewesen, doch wegen des guten Wetters hatten sie beschlossen, es zu riskieren, denn sie alle hatten die Gerüchte gehört, in Aurillac gebe es Waren aus Südfrankreich und Spanien zu günstigen Preisen. Tatsächlich hatten sie in der auvergnischen Handelsstadt Berge von feinstem Leder und Tuchen aus Perpignan vorgefunden, begehrte Güter, mit denen sie sich in rauen Mengen eindeckten. Michel wünschte, er hätte danach auf sein Gespür gehört und darauf bestanden, dass sie auf demselben Weg heimkehrten, den sie hergekommen waren. Doch Isoré Le Roux hatte die anderen überredet, mitten durch das Zentralmassiv zu reisen, um Zeit und Wegezoll zu sparen. »Das ist der mildeste Winter seit Jahren«, hatte er gesagt. »Nirgendwo die kleinste Schneeflocke, und obendrein warm wie im April. Das müssen wir ausnutzen. Jetzt seid doch nicht so verzagt. Das ist doch sonst nicht Eure Art.«
    Widerstrebend hatte Michel sich der Mehrheit gebeugt, woraufhin sie geradewegs ins Gebirge gezogen waren. Die Strafe für ihren Leichtsinn hatte nicht lange auf sich

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