Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Johann da im Wald miteinander getrieben hatten, lief ihm ein Schauder über den Rücken. Widerwärtig. Der Vogt hatte recht getan, die zwei zu bestrafen. Gewiss, die Strafe war hart gewesen, vielleicht zu hart. Andererseits: Wenn es stimmte, dass ein Sodomit Gottes Zorn auf seine Gemeinde lenkte, konnte die Vergeltung nicht scharf genug sein. Vielleicht war es ja Thomasîns und Johanns Schuld, dass die Kriegsknechte des Gegenkönigs die Vogtei geplündert hatten. Gott bediente sich oft solcher Mittel, um die Menschen zu strafen. Es war des Vogtes Pflicht, den Allmächtigen um jeden Preis zu besänftigen und zu verhindern, dass sich dergleichen wiederholte.
Doch es gab noch etwas anderes, über das Anselm dieser Tage nachgrübelte: den Beutel mit Silber, den man ihm in Aussicht gestellt hatte. Daran dachte er beinahe so oft wie an die beiden Sodomiter und ihre grässliche Sünde.
Nachdem er das Vieh gefüttert hatte, nahm er den Sack vom Haken und öffnete die Tür zur Scheune. Sonnenstrahlen zwängten sich durch die Ritzen in den Dachbalken, sodass Anselm keinen Kienspan brauchte. Er schritt durch das Zwielicht und fand den Ritter in einer Ecke im Heu liegen. Er schlief.
Gut so, dachte Anselm. Je eher er gesund wird, desto rascher bekomme ich mein Geld.
Er wusste nicht, wie alt Ägidius von Löwenstein war. Zweiundzwanzig Sommer, höchstens dreiundzwanzig. So jung und schon ein Kriegsmann. Anselm hatte den Stauferritter vor ein paar Tagen im Wald aufgelesen, wo er verletzt und schwach vom Blutverlust im Moos gelegen hatte. Von Löwenstein hatte in der Streitmacht König Philipps gefochten und war bei den Kämpfen im Norden in Gefangenschaft geraten. Bei der Flucht vor Ottos Truppen war er verwundet worden – ein böser Schnitt am Brustkorb und ein zweiter am Arm. Anselm hatte ihn in aller Heimlichkeit ins Dorf gebracht und angeboten, ihn zu verstecken und zu pflegen. Zum Dank hatte ihm der junge Ritter eine Belohnung versprochen, vier Silberpfund in rheinischen Schillingen. So viel Geld auf einem Haufen hatte Anselm noch nie gesehen.
Er stieß von Löwenstein mit dem Fuß an. Der Ritter erwachte. Zum ersten Mal waren seine Augen klar – das Fieber schien abgeklungen zu sein. Gretes Kräutertränke hatten wieder einmal Wunder gewirkt.
»Hier, Herr Ritter. Ich hab Euch etwas zu essen gebracht.«
»Hab Dank, mein Freund. Was täte ich nur ohne dich?« Von Löwenstein öffnete den Sack und holte Brot und Käse heraus. Jeden Bissen spülte er mit einem Schluck aus dem Wasserkrug hinab.
»Euch geht es besser, nicht wahr?«
»Viel besser.«
»Wann, denkt Ihr, könnt Ihr aufbrechen?«
»Gib mir noch zwei, drei Tage. Ich will mich nach Norden durchschlagen. Ich weiß nicht, wo Philipps Heer inzwischen ist – ich werde es suchen müssen. Dafür muss ich bei Kräften sein.«
»Braucht Ihr ein Pferd? Ich kann Euch eins auftreiben.«
»Wenn du das schaffst, Anselm, lege ich zwei Pfund drauf.«
Anselm leckte sich unwillkürlich die Lippen. Sechs Pfund Silber – der junge Ritter wandelte sich allmählich zur Goldgrube. »Wann bekomme ich das Geld?«
»Sowie ich bei meinen Leuten bin. Ich lasse es dir von meinem Knappen schicken. Du hast mein Wort.«
Anselm nickte. Das Wort eines Ritters genügte ihm. Zumal er spürte, dass der junge von Löwenstein ein echter Ehrenmann war.
Der Ritter aß das restliche Brot und den Käse und wischte sich den Mund mit dem Ärmel seines Waffenrocks ab. »Sag, Anselm – wurde Walram von Limburg hier in der Gegend gesehen?«
»Ist das der Kerl, der Euch jagt?«
Von Löwenstein nickte. »Ein Gefolgsmann des Verräters. Und ein wahrer Teufel.«
»Hab nichts von ihm gehört, Herr.«
»Könntest du Augen und Ohren offen halten und mich warnen, wenn er auftaucht?«
»Gewiss.«
»Gut. Aber sei vorsichtig. Von Limburg ist gefährlich. Und seine Männer sind es auch. Besonders die flämischen Söldner, die er neuerdings befehligt.«
Der junge Ritter legte sich wieder ins Heu. Anselm ließ ihn allein, damit er ruhen konnte, und widmete sich den Rest des Tages seinen Pflichten. Die Aussicht auf sechs Silberpfund beflügelte ihn, sodass ihm die Arbeit leicht von der Hand ging. Seine gute Laune hielt bis zum Abend vor und bewirkte, dass er zum ersten Mal seit langer Zeit sein Weib Grete begehrenswert fand. Er wusste nicht mehr, wann sie sich zuletzt geliebt hatten – es musste Monate her sein. Er nahm sie auf ihrer Schlafstatt und ergoss sich nach wenigen Stößen keuchend in sie. Ja,
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