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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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erfüllten und ihm halfen, seine Trauer zu verwinden.
    Was die Beginen zum Leben brauchten, erwirtschafteten sie selbst. Überschüsse aus der Viehhaltung, dem Garten und den Feldern vor den Stadtmauern verkauften sie auf dem Markt oder verteilten es an die Armen. Gleich nach ihrer Einweisung in die Gepflogenheiten des Hofs packte Isabelle mit an und brachte die Erfahrungen ein, die sie an Thomasîns Seite erworben hatte. Die Magistra erkannte, dass sie ein besonderes Gespür für Tiere besaß, und ließ sie hauptsächlich in den Ställen arbeiten.
    Neben der Landwirtschaft betrieben die Beginen mehrere Arten von Handwerk; sie woben Tuch, nähten Kleider und kochten Seife. Die gebildeteren Frauen arbeiteten als Schreiberinnen und fertigten Buchkopien für Klöster, städtische Patrizier und verschiedene Adelsfamilien Oberlothringens an.
    Das kleine Skriptorium neben dem Schlafsaal faszinierte Rémy vom ersten Tage an. Von früh bis spät leistete er den vier Buchmalerinnen Gesellschaft, sah ihnen bei der Arbeit zu, lauschte dem Kratzen ihrer Schreibfedern und den Geschichten, die sie ihm aus den Büchern vorlasen. Isabelle dankte dem Herrn, dass sie so weise gewesen war, mit ihm von klein auf auch Französisch zu sprechen. Hätte Rémy nur Deutsch gesprochen, wäre es ihm gewiss viel schwerergefallen, sich in seiner neuen Heimat zurechtzufinden.
    Es dauerte nicht lange, bis Isabelle die anderen Frauen kennenlernte. Einige waren ältere Witwen und Jungfrauen, doch die meisten hatten Ähnliches erlebt wie sie, waren aus den verschiedensten Gründen in Ungnade gefallen und hatten bei Magistra Frédégonde Zuflucht gesucht, um Abbitte für ihre Sünden zu leisten. Ehebrecherinnen waren darunter, unzüchtige Frauen, ehemalige Dirnen, sogar Diebinnen und Vogelfreie. Sie alle wussten, wie Isabelle empfand, was sie erlitten hatte, und verurteilten sie nicht für ihre Vergangenheit. Ihr Herz war voller Bitterkeit und Zorn gewesen, als sie hergekommen war, doch die Freundschaft ihrer neuen Schwestern linderte bald ihr Unglück. Obwohl sie Michel schmerzlich vermisste, begann sie, sich im Beginenhof wohlzufühlen, mehr noch: heimisch. Es war lange her, dass sie solche Geborgenheit verspürt hatte.
    Endlich, dachte sie eines Morgens Anfang Mai, als sie mit ihren Schwestern zur Kapelle schritt, endlich bin ich zu Hause.
    Während die Wochen vergingen, verrichtete sie pflichtbewusst ihre Arbeit, kümmerte sich um Rémy, nahm an den Gebeten teil und fastete, wie Bischof Mathieu es ihr auferlegt hatte. Als sie vertrauter mit den Abläufen der Gemeinschaft wurde, machte sie eine besorgniserregende Beobachtung. Zwar war Magistra Frédégonde eine Seele von Mensch, die sich voller Hingabe ihrem Glauben, ihren Schwestern und ihren Aufgaben widmete, doch sie verstand nicht das Geringste von geschäftlichen Zusammenhängen. Schlimmer noch: Bei allem, was Handel, Geld und Buchführung betraf, herrschte im Beginenhof ein heilloses Durcheinander. Die Magistra kaufte Saatgut, Futter, Salz und dergleichen regelmäßig zu teuer ein, während sie die Erzeugnisse des Hofs viel zu billig anbot. Neben den Verlusten, die dadurch entstanden, verschwanden regelmäßig beträchtliche Geldsummen, ohne dass Frédégonde erklären konnte, was damit geschehen war. Diebstahl war ausgeschlossen; nur die Magistra besaß Zugang zum Silber des Konvents, und sie würde niemals die Gemeinschaft bestehlen. Isabelle vermutete daher, dass es an der lückenhaften Buchführung lag und die Vorsteherin ständig Geld verrechnete, das sie gar nicht besaß.
    »Das war schon immer so«, sagte Pétronille, eine ältere Begine, als Isabelle sie eines Abends nach der Vesper darauf ansprach. Pétronille war von Anfang an bei der Gemeinschaft und kannte Frédégonde besser als jede andere Schwester. »Die Magistra ist eine Heilige, aber sie kann einfach nicht mit Geld umgehen.«
    »Ich habe unsere Einnahmen und Ausgaben überschlagen«, sagte Isabelle, während sie zum Refektorium gingen. »Wenn wir so weitermachen, bekommen wir bald Schwierigkeiten.«
    »Ist es so schlimm?«
    »Ich fürchte, ja. Warum unternimmt niemand etwas dagegen?«
    »Wir sind einfache Frauen. Wir verstehen nichts von solchen Dingen.« Pétronille schaute sie an. »Du kommst doch aus einer Kaufmannsfamilie. Wieso sprichst du nicht mit der Magistra?«
    »Lässt sie denn mit sich reden?«
    »Ein Versuch kann nicht schaden, oder?«
    Nach dem Essen nahm Isabelle all ihren Mut zusammen und ging zur Magistra.

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