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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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Duval stieg zum reichsten Mann Varennes’ auf. Dass er dem Wein abgeschworen hatte, kam seiner Arbeit zugute, und er eröffnete als erster Kaufmann der Stadt Zweigstellen in Metz und Troyes.
    Während die Königspfalz am Ufer der Mosel stetig wuchs, vergrößerte sich auch die Gilde. Mehrere junge Männer nutzten den aufkeimenden Reichtum Varennes’, eröffneten Geschäfte und traten der Bruderschaft der Kaufleute bei, sodass diese bald fünfundzwanzig Mitglieder zählte – so viele wie nie zuvor. Der neue Wohlstand der Stadt sprach sich bis in die entlegensten Dörfer Oberlothringens herum. Zahlreiche Hörige entflohen ihren Herren und ließen sich in Varennes nieder, wurden Knechte, Bauern, Handwerker, von denen viele Arbeit auf der Baustelle der Königspfalz fanden. Im Frühjahr 1206 ordnete Michel eine Volkszählung an, bei der sich zeigte, dass erstmals mehr als dreitausend Menschen innerhalb der Stadtmauern wohnten.
    Herzog Simon Châtenois starb nicht im Sommer 1204, wie er gedacht hatte – nachdem er Varennes in die Freiheit entlassen hatte, lebte er noch fast zwei Jahre. Er verließ jedoch nie mehr sein Bett. Als Michel ihn einmal in Nancy besuchte, hatte sich sein Verstand bereits verdunkelt, er konnte nicht mehr sprechen, nicht mehr ohne Hilfe essen oder seine Notdurft verrichten. Ferry der Ältere übernahm gegen den Widerstand der Familie wieder die Amtsgeschäfte, sprach Recht und vergab Lehen an die Vasallen des Herzogtums. Als Simon im April 1206 nach jahrelangem Leiden endlich seiner Krankheit erlag, beanspruchte Ferry der Jüngere gemäß Simons Letztem Willen die Herzogswürde. Sein Vater versagte sie ihm, woraufhin es zur Fehde zwischen ihnen kam. Vater und Sohn bekämpften sich erbittert und überzogen die Herrschaft Bitche und die Ländereien ihrer Familie mit Krieg.
    Als Michel davon erfuhr, ging er in den Dom und zündete am Grab des heiligen Jacques eine Kerze für Simons Seele an.
    Ruht in Frieden, betete er. Und bittet die Heiligen, dass sie Eurem Bruder und Eurem Neffen jene Weisheit schenken, die Euch stets ausgezeichnet hat.
    B ITCHE
    E twas geschah in der Burg. Hass und Mordlust lagen in der Luft, er konnte es spüren, sogar hier unten in seinem Kellerloch.
    Aristide kniete im Stroh und presste das Ohr an die Tür. Aufgeregte Stimmen in der Ferne, seit Stunden schon. Wurde die Burg angegriffen? Hatte Otto den Krieg gewonnen und kam ihn holen?
    Wohl kaum. Er hat mich längst vergessen. Und Walram von Limburg auch, dieser treulose Hund.
    Ein scheußlicher Juckreiz kroch seine Kehle herauf, und Hustenkrämpfe schüttelten seinen Leib, bis er Blut auf der Zunge schmeckte. Die Jahre in Kälte und Dunkelheit hatten seinen Körper ausgelaugt, seine Glieder und all seine Gelenke schmerzten, er war müde und schwach. Allein sein Verlangen nach Rache hielt ihn am Leben sowie die Gewissheit, dass sein Tod Ferry und der ganzen Familie de Bitche eine Genugtuung wäre. Nein, solange noch ein winziger Rest Kraft in diesen Muskeln steckte und ein letzter Funken Verstand in seinem Kopf flimmerte, würde er sich an seine irdische Existenz klammern, so erbärmlich sie auch sein mochte.
    Stimmen näherten sich.
    »Was zum Teufel ist da los?«, fragte der Kerkermeister.
    »Streit unter den Herren«, antwortete ein zweiter Mann, wahrscheinlich einer der Wächter. »Das geht uns nichts an.«
    »Ich glaub aber schon, dass uns das was angeht. Hörst du sie nicht kämpfen?«
    »Ich werde jedenfalls nicht nach oben gehen und nachsehen. Hab keine Lust, mir für nichts und wieder nichts den Schädel einschlagen zu lassen. Wir bleiben schön hier unten, bis sich das Gewitter verzogen hat. So halten wir’s, hast du verstanden? Jetzt mach schon, gib dem Gefangenen sein Essen.«
    Der Kerkermeister brummelte vor sich hin und zog den Riegel zurück, aber nicht ganz. Etwas ließ ihn innehalten. Das Klirren von Schwertern.
    »Scheiße«, sagte er. »Sie kommen runter.«
    »Nur die Ruhe. Wir sind hier sicher.«
    »Mach, was du willst, aber mir wird das zu heiß.« Der Kerkermeister lief mit platschenden Schritten davon.
    »Warte, verdammt!«
    Ein Ruf hallte durch die Felsengänge. »Pierre, wo bist du? Wir brauchen dich. Sie stoßen in den Keller vor.«
    Der Wächter fluchte leise. Dann ein metallisches Schleifen, als er sein Schwert zog. Er rannte davon.
    Kurz darauf wurden die Kampfgeräusche leiser, verstummten ganz. Totenstille herrschte im Kerker unter der Burg.
    Aristide kniff die Lippen zusammen. Kaum ein

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