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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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Dummköpfe«, sagte er, spuckte blutigen Speichel aus und schlüpfte in den Wald. Sein Atem brannte in den Lungen, während er den Berghang hinabschlitterte. Immer wieder versagten ihm seine Muskeln den Dienst, woraufhin er ausrutschte und sich mühsam aufrappeln musste. Schließlich erblickte er vor sich einen Weg. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand ihm folgte, verbarg er sich im Gebüsch.
    Irgendwann kam ein Mann des Weges, ein untersetzter Bauer mit schulterlangem rotem Haar, der einen Grauschimmel am Zügel führte. Aristide bog die Äste zur Seite und stolperte die Böschung hinab.
    »Allmächtiger Herr im Himmel!«, keuchte der Bauer erschrocken. »Wer seid Ihr?«
    »Keine Angst, guter Mann, ich will dir nichts tun.« Trotzdem starrte ihn der Kerl mit aufgerissenen Augen an. Kein Wunder: Er musste wahrlich zum Fürchten aussehen. »Was ist da oben passiert? In der Burg, meine ich.«
    »Weiß nicht genau. Ich glaube, die hohen Herren haben einander die Fehde erklärt, und der eine hat den andern aus der Burg verjagt. Ich muss jetzt weiter.« Der Mann senkte den Blick und schickte sich an zu gehen.
    Aristide verstellte ihm den Weg. »Wie heißt du?«, fragte er lächelnd.
    »Jean-Louis.« Der Bauer kniff die Lippen zusammen und starrte das Schwert an, während sich seine Hand um den Lederriemen des Zügels krampfte.
    »Nun, Jean-Louis, ich fürchte, ich muss dich bitten, mir dein Pferd zu überlassen.«
    »Aber … aber das geht nicht! Ich brauche es für die Feldarbeit. Wie soll ich ohne Pferd meine Äcker bestellen?«
    »Das ist in der Tat eine gute Frage. Aber wie es der Zufall will, habe ich die Lösung für all deine Sorgen.« Aristides Schwertarm schnellte vor. Er war bei Weitem nicht mehr so flink wie vor der zermürbenden Kerkerhaft, aber immer noch agil genug für diesen tumben Bauern. Die Klinge traf Jean-Louis an der Stirn und spaltete den Schädelknochen, er verdrehte die Augen und sank röchelnd zu Boden. Blut und Hirnmasse tropften auf die Erde. Das Pferd scheute. Bevor es davonlaufen konnte, ergriff Aristide die Zügel. Das verängstigte Tier trug weder Sattel noch Steigbügel, weshalb er beträchtliche Mühe hatte, auf seinen Rücken zu gelangen. Als er endlich saß, fühlte er sich müde und steif wie ein Methusalem von achtzig Jahren. Nachdem der Hustenanfall abgeklungen war, klopfte er dem Pferd auf den Hals. »Jetzt zeig, was in dir steckt.«
    Er schlug ihm die Fersen in die Flanken und jagte auf dem Weg in Richtung Westen.

Mai 1206

    V ARENNES -S AINT -J ACQUES
    A ristide wollte ungesehen in die Stadt kommen, doch er musste bis zum späten Nachmittag warten, bis endlich ein Wagen vorbeikam, der seinen Zwecken dienlich war. Es war ein zweirädriger Ochsenkarren, der Heuballen geladen hatte, einen mannshohen Haufen davon. Auf dem Wagenbock hockte ein Bauer mit einem Humpen Bier, aus dem er dann und wann einen Schluck nahm. Mit trunkener Stimme intonierte er ein Lied, während er auf der Römerstraße gen Varennes ruckelte.
    Aristide schlüpfte aus dem Gebüsch, stieg von hinten auf die Wagenpritsche und kroch zwischen die Heuballen. Der Bauer merkte nichts. Aristide legte sich flach hin, die Hand am Schwertknauf, atmete den Duft des frischen Heus ein und kämpfte mit aller Kraft gegen den Hustenreiz an.
    Wenig später erreichte der Wagen das Nordtor, wo er von den Stadtbütteln angehalten wurde.
    »Hast du nur Heu geladen?«
    »Heu, Heu und nochmals Heu, so wahr mir Gott helfe. Kein Safran, kein Elfenbein und auch kein Sarazenengold.« Der Bauer kicherte.
    »Schon gut. Schon gut. Du kannst durch. Aber sauf nicht so viel, hörst du?«
    Der Wagen fuhr weiter.
    Vorsichtig hob Aristide den Kopf. Die Steinhäuser und Handwerksstuben der Grande Rue zogen an ihm vorbei. Als gerade niemand hinschaute, glitt er von der Pritsche und huschte in eine enge Gasse gegenüber der Abtei Longchamp, wo er sich das Heu von den Kleidern wischte.
    Sein Atem rasselte. Unbemerkt in die Stadt zu gelangen, hatte ihn einiges an Kraft gekostet. Doch er konnte sich nicht ausruhen. Er hatte schließlich noch etwas vor.
    Mit dem Schwert in der Hand eilte er durch die Gassen, verbarg sich in dunklen Ecken, wenn jemand des Weges kam, rannte weiter, lautlos wie ein Schatten, verstohlen wie ein Dieb in der Nacht.
    Michel verbrachte den Nachmittag damit, zwei neue Brunnen zu inspizieren, die der Rat in Auftrag gegeben hatte, einen in der Unterstadt, den anderen in der Rue Saint Jacques am Heumarkt. In beiden

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