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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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sollen.«
    Der Ritter bleckte die Zähne und versuchte noch einmal, Michel zurückzutreiben, doch seinen Angriffen fehlte die Kraft. Michel parierte die Hiebe, schlug sein Schwert zur Seite und stieß zu. Seine Klinge bohrte sich in de Guillorys Oberarm, drang durch Tuch, Haut und Fleisch. Der Ritter schrie auf und ließ seine Waffe fallen.
    »Gebt auf, und ich lasse Euch gehen«, sagte Michel.
    »Niemals«, keuchte de Guillory.
    »Das hat doch keinen Sinn. Ich kämpfe nicht gegen einen von der Schwindsucht zerfressenen Halbtoten.«
    Der Ritter taumelte einen Schritt nach vorne, presste die Linke auf die Wunde am Schwertarm und hob sein Schwert auf, während neue Hustenkrämpfe seinen Körper schüttelten. Abermals griff er an. Mühelos wehrte Michel die Hiebe ab.
    »Bring es zu Ende. Na los.«
    »Nein«, sagte Michel.
    »Der aufrechte und selbstlose Bürgermeister von Varennes«, flüsterte de Guillory. »Sein eigenes Wohlergehen kümmert ihn nicht, aber wehe, man schadet seinen geliebten Bürgern. Dann wird er zum Löwen. Du willst also nicht kämpfen. Gut. Aber sag, was geschieht, wenn ich diesen Jungen da angreife?« Er deutete mit der Schwertspitze auf einen etwa zehnjährigen Bauernjungen am Rand der Menge, der angstvoll die Augen aufriss.
    »Töte ich Euch.«
    De Guillory grinste, taumelte auf den Jungen zu und hob seine Waffe. Michel machte einen Schritt nach vorne und stieß ihm das Schwert in die Brust. De Guillory brach in die Knie, Blut schoss aus seinem Mund. Dann kippte er zur Seite und starb.
    »Klarer Sieg für den Pfennigfuchser«, sagte Michel.
    Im nächsten Moment brach die Hölle los. Die Leute schrien. Eine schluchzende Frau drückte den Jungen an sich. Mehrere Stadtbüttel eilten mit geladenen Armbrüsten herbei und beugten sich über die Leiche. Michel warf sein Schwert fort und lief zu Isabelle, schloss sie in die Arme und strich ihr über das Haar, während die Büttel de Guillorys Leiche forttrugen.

August und September 1206

    V ARENNES -S AINT -J ACQUES
    Z wei Jahre nach ihrer Audienz bei König Philipp kam endlich die Nachricht, auf die Michel und seine Gefährten so lange gewartet hatten. Duval, Leblanc und er waren gerade im Rathaus und sahen die neuesten Steuerlisten durch, als ein städtischer Schreiber eintrat.
    »Ein Bote ist gekommen. Ein Herold von König Philipp. Er möchte Euch sprechen, Herr Bürgermeister.«
    »Schick ihn herauf.«
    Der Mann, der kurz darauf die Amtsstube betrat, war erschöpft und schmutzig vom langen Ritt. Michel wies einen Bediensteten an, ihm einen Becher Wein zu bringen.
    »Bringt Ihr Nachrichten vom Krieg?«
    »Der Krieg ist zu Ende«, erwiderte der Herold lächelnd. »König Philipp hat Otto vor zwei Wochen bei Wassenberg vernichtend geschlagen. Der Usurpator ist nach England geflohen.«
    Michel, Duval und Leblanc starrten den Boten an. Dann, wie auf Kommando, brachen sie gleichzeitig in Jubel aus und fielen sich in die Arme.
    »Hol die Ausrufer«, befahl Michel dem Bediensteten. »Sie sollen die Nachricht vom Frieden in der ganzen Stadt verkünden!«
    So geschah es. Als die Menschen die Kunde vernahmen, fiel so mancher spontan auf die Knie und dankte dem Herrn. Die Menschen lachten und weinten, zu Hunderten strömten sie in die Kirchen und priesen Jesus, die Jungfrau Maria und die Heiligen.
    Alle Glocken der Stadt läuteten bis zum Abend.
    W ASSENBERG
    D ie Herrschaft Wassenberg hatte schrecklich unter dem Krieg gelitten. Immer wieder waren im Grenzland zu Luxemburg und Brabant die Heere von König und Gegenkönig aufeinandergeprallt, besonders in den letzten Monaten, als Philipp seinen Rivalen Otto vor sich hergetrieben und schließlich zur Entscheidungsschlacht im Rurtal gezwungen hatte. Sowohl Welfen als auch Staufer hatten sich wie Raubtiere und Aasfresser vom Land genährt und den Bauern ihr Korn, ihr Vieh und ihre Frauen genommen. Während Michel und die anderen Ratsherren durch die verwüstete Gegend ritten, sahen sie überall geplünderte Dörfer, niedergebrannte Höfe, zerstampfte Felder. Inzwischen waren die geflohenen Bewohner der Herrschaft zurückgekehrt, bauten ihre Häuser wieder auf und versuchten, die kargen Reste der Ernte zu retten. Mit einem engen Gefühl in der Brust beobachtete Michel die verhärmten Gestalten in den Ruinen, auf den Äckern. In Varennes hatten sie Philipps Sieg gefeiert, dabei kannte dieser Krieg nur Verlierer. Erst jetzt wurde ihm wirklich bewusst, was Oberlothringen dank Simons Weisheit all die Jahre erspart

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