Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Silberschmiedes von Varennes«, sagte Ulman gedehnt. »Er hat ein kleines Vermögen gekostet. Warum habe ich ihn wohl gekauft?«
»Ich … ich weiß nicht, Exzellenz.«
»Damit Johann ihn sieht !«, fuhr Ulman den Diener an. »Wie soll er das, wenn der Leuchter in diesem Loch herumsteht und Staub ansetzt? Bring ihn sofort zurück in den Saal, oder ich lasse dich für deine Dummheit züchtigen!«
Blitzschnell ergriff der Mann den Leuchter und huschte davon.
Die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst, verließ Ulman das Gesindehaus, schritt durch den Palastgarten und begutachtete dabei die Büsche und Beete am Wegesrand. Der Rasen, die Rosenhecken, alles schien so zu sein, wie er es angeordnet hatte – wenigstens auf den Gärtner war Verlass. Was man vom Rest der Dienerschaft nicht behaupten konnte. Wenn man die Knechte und Mägde nicht von früh bis spät im Auge behielt, benahmen sie sich wie dumme, gottlose Viehtreiber. Heute Morgen erst hatte er einen Küchengehilfen dabei erwischt, wie er sich beim Fischausnehmen die Nase in sein Wams geschnäuzt hatte. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn Johann das gesehen hätte … Er hatte den Bengel auf der Stelle hinausgeworfen. Vielleicht war das den anderen eine Lehre.
Bitte, o Herr, lass den Besuch des Archidiakons nicht zu einer Demütigung für mich werden, betete Ulman, während er das Hauptgebäude betrat. Er würde es nicht ertragen, wenn Johann später dem Erzbischof berichtete, Varennes sei eine Stadt voller Bauerntölpel und er, Ulman, habe nicht einmal seine eigenen Hörigen im Griff.
Im Korridor kam ihm ein Waffenknecht entgegen.
»Exzellenz!«, sagte der Mann atemlos. »Der Reichskanzler ist am Nordtor!«
Ulman unterdrückte einen Fluch. Hätte sich Johann nicht noch einen Tag Zeit lassen können? Es gab doch noch so viel zu tun. Er stürmte in die Eingangshalle und brüllte nach seinem Leibdiener. »Namus! Unser Gast kommt! Ruf alle Bediensteten zusammen. Ihr wisst, was ihr zu tun habt.«
Kurz darauf stand Ulman mit den Domherren, seinen Waffenknechten, Dienern, Schreibern und Hörigen vor dem Portal der Kathedrale und beobachtete Johanns Tross, der vom Nordtor die Grande Rue entlangzog. Die Menschen unterbrachen ihre Arbeit, verließen ihre Häuser und bestaunten die gut dreißigköpfige Schar, bestehend aus schwer gerüsteten Rittern, Fußsoldaten, Priestern, Mönchen und Dienern. Viele bejubelten die Ankunft des Archidiakons und riefen fröhliche Segenswünsche, nicht zuletzt deshalb, weil einer der Ritter schimmernde Deniers in die Menge warf.
Als der Tross den Marktplatz erreichte, schritten Ulman und die Domherren ihm entgegen.
Die vier Ritter zügelten ihre Rösser; ihre Helme und Lanzenspitzen funkelten im Sonnenschein. »Seine Exzellenz Johann von Trier, der Erste seines Namens, Archidiakon des Erzbistums Trier und Kanzler des Heiligen Römischen Reiches«, rief einer der Männer.
Zu Ulmans maßloser Verwunderung saß Johann nicht auf dem Rücken eines Pferdes, auch nicht in einer Sänfte oder einem komfortablen Reisewagen – er kauerte auf der Pritsche eines Ochsenkarrens, der just in diesem Moment vorgefahren kam. Auf dem Wagenbock hockte ein Bauer, der schmutziger nicht sein konnte. Der Mann kaute auf einem Grashalm und brachte den Ochsen zum Stehen, indem er grob an der Leine riss.
Ein Diener half Johann, von der Pritsche zu klettern. Der Archidiakon stützte sich auf eine Krücke und verzog für einen Moment vor Schmerz das Gesicht.
Ulman eilte ihm entgegen. »Im Namen des Auferstandenen, Johann, was ist geschehen?«
»Nur ein verstauchter Fuß, mein lieber Freund, kein Grund zur Sorge«, antwortete der Archidiakon. »Grimald hat mich bereits bestens verarztet. Er versteht mehr von der Heilkunst als so mancher gelehrte Medicus.«
»Ich könnte Euch noch besser verarzten, wenn Ihr Euch endlich schonen würdet«, meinte der Diener, der Johann stützte, streng. »Wir hätten nach Verdun zurückkehren sollen, wie ich es Euch geraten habe. Die lange Reise hat Eurem Fuß gewiss nicht gutgetan.«
»Unsinn. Meinem Fuß geht es prächtig.«
»Das glaube ich nicht. Ihr habt Schmerzen.«
»Nichts, was ein Krug Moselwein nicht kurieren könnte.« Johann lächelte. »Grimald sorgt sich immerzu wie eine alte Glucke um mich. Wäre es nach ihm gegangen, hätte ich eine Woche lang in Verdun das Bett gehütet. Dass sich die Arbeit nicht von allein macht, will er natürlich nicht hören.«
»Wie ist das passiert?«, fragte
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