Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Waren fanden auch weiterhin reißenden Absatz. Ein Gewandschneider kaufte das gesamte Garn und den größten Teil der Schafswolle, ein Gürtelmacher die gegerbten Häute, der Cellerar eines Klosters das Bienenwachs. Die Taue blieben liegen, dafür verkaufte sich das Salz umso besser, denn das weiße Gold aus Varennes-Saint-Jacques war berühmt für seinen Geschmack und seine Reinheit. Es war die richtige Entscheidung gewesen, die Waren nach Metz zu bringen. In einer solch großen Handelsstadt herrschte stets eine gewaltige Nachfrage nach Salz, Wolle und Wachs, und das warf hohe Gewinne ab, selbst wenn man den Zoll, die beträchtlichen Standgebühren und die Kosten der Reise berücksichtigte.
Am späten Nachmittag leerte sich die Markthalle allmählich. Michel fand einen Moment Zeit, sich hinzusetzen und auszuruhen. Benommen stellte er fest, dass sie fast all ihre Waren verkauft hatten.
Sein Magen fing an zu knurren. Er war so beschäftigt gewesen, dass er keine Zeit gefunden hatte, etwas zu essen. Er öffnete den Beutel mit ihrer Wegzehrung und fand lediglich etwas Käse und einen Kanten trockenes Brot. »Haben wir nichts anderes?«
»Das ist alles, was noch übrig ist«, antwortete Jean. »Ich hole uns etwas Eintopf.«
»Bleib sitzen, ich gehe selbst. Ich brauche etwas frische Luft.«
Michel nahm ein paar Deniers und Sous aus ihrer Kasse und schritt zum Ausgang der Markthalle. Unterwegs kam er am Tisch eines Schmuckhändlers vorbei. Sein Blick fiel auf ein Lederbändchen mit einem kleinen silbernen Kruzifix, das sich in seiner Schlichtheit und Eleganz von den übrigen grob gefertigten Kupferstücken abhob. Unwillkürlich stellte er sich vor, wie er es Isabelle anlegte, wie sie ihr Haar zur Seite strich, damit er das Bändchen in ihrem Nacken zusammenknoten konnte …
Er nahm das Kruzifix in die Hand und sah es sich genauer an. Wirklich eine schöne Arbeit.
»Nur zwei Sous, der Herr«, sagte der Händler. »So günstig bekommt Ihr es nirgendwo.«
Michel wollte zwei Münzen auf den Tisch legen – und zögerte. Was war das für eine törichte Idee? Ihm fehlte an allen Ecken und Enden Geld, und er war möglicherweise gerade im Begriff, sich mit Gaspard zu überwerfen. Das war wahrlich nicht der richtige Augenblick, um Isabelle Geschenke zu machen. Und überhaupt: Was versprach er sich davon?
Er legte das Kruzifix zurück und ging weiter. Doch das Bild von Isabelle ließ ihn nicht los. Wie sie vor Freude strahlen würde, wenn er ihr das kleine Silberkreuz überreichte. Wie ihre Augen leuchten würden …
Gaspard muss es ja nicht erfahren. Und wenn er sich schon kein Schmuckstück für zwei Sous mehr leisten konnte, gab er sein Geschäft besser gleich auf und suchte sich anderswo Arbeit. Er ging zurück, handelte den Schmuckmacher auf einen Sou und sieben Deniers herunter und verstaute das Kruzifix sorgfältig in seiner Geldbörse. Plötzlich konnte er es kaum erwarten, nach Hause zu kommen.
Reiß dich zusammen. Es ist nur ein kleines Geschenk für die Schwester eines Freundes. Es bedeutet gar nichts.
Draußen ging er zu einer Schenke, zu der eine zur Straße offene Garküche gehörte. Über einem offenen Feuer kochte der Wirt Fleischeintopf, den er in großzügigen Portionen an Kaufleute, Marktaufseher und Kleinkrämer verteilte. Michel bahnte sich einen Weg durch das Gedränge, kaufte eine Schüssel und einen Humpen Bier und trug beides zur Markthalle zurück. Jean und er setzten sich auf die Pritsche ihres Wagens und verzehrten den dampfenden Eintopf heißhungrig mit dem restlichen Brot.
»Das ist gutes Salz.«
Michel blickte auf. An den fast leeren Fässern stand ein hagerer Mann mit raubvogelhafter Nase und zerrieb eine Prise des körnigen Gewürzes zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger. Er trug feine Kleidung, und sein Wams zierte ein Wappen mit rot-silbernem Schachbrettmuster. Er sprach Französisch mit schwerem deutschem Akzent.
»Ausgezeichnetes Salz sogar. Habt Ihr mehr davon?«
Michel legte den Löffel weg und glitt von der Wagenpritsche. »Leider nicht. Aber wir können Euch so viel davon beschaffen, wie Ihr wünscht, Herr …?«
»Ivo, Truchsess des Grafen Albert von Sponheim«, stellte der Mann sich vor. »Mein Herr beabsichtigt, ein Fest zu geben. Er möchte die Schwertleite seines Erstgeborenen feiern, und wir erwarten dreihundert Besucher. Könnt Ihr mir acht Fässer liefern? Von diesem Salz – minderwertiges kann ich nicht gebrauchen. Ich zahle sieben Pfennig pro Fuder.«
Michel
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