Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
ließ sich seine Freude nicht anmerken. Sieben Pfennig war das Anderthalbfache dessen, was er in Metz bislang bekommen hatte. Hier winkte ein kleines Vermögen. »Bis wann braucht Ihr es?«
»Spätestens in zwei Wochen.«
»Wohin sollen wir liefern?«
»Zur Starkenburg an der Mosel, bei der Ortschaft Traben. Schafft Ihr das in solch kurzer Zeit?«
»Gewiss.«
»Ihr bekommt Euren Lohn bei der Lieferung«, sagte der Truchsess. »Aber seid pünktlich. Wenn Ihr zu spät kommt, betrachte ich das Geschäft als nichtig.«
»Wir werden rechtzeitig liefern – Ihr habt mein Wort.«
»Ich erwarte Euch in zwei Wochen in der Starkenburg.« Ivo verneigte sich und ging.
Kaum war der Truchsess fort, brachen Michel und Jean in Jubel aus und fielen sich in die Arme.
»Unser erstes richtiges Geschäft!«, rief Michel. »Das müssen wir feiern. Lass uns rasch die Sachen zusammenpacken, und dann auf in die Schenke!«
V ARENNES -S AINT -J ACQUES
B ischof Ulman hielt sich für einen gelassenen, charakterfesten Mann. Nichts erschütterte ihn so leicht, weder die ständigen Fehden zwischen Aristide de Guillory und Nicolas de Bézenne an den Grenzen des Bistums, noch die beunruhigenden Nachrichten aus dem Heiligen Land. Selbst in schwierigen Zeiten widmete er sich diszipliniert seinen geistlichen und weltlichen Pflichten und führte mit ruhiger Hand die ihm anvertraute Stadt. Wenn ihn seine Aufgaben einmal übermäßig forderten, suchte er Zuflucht im Glauben.
Seit Tagen jedoch quälte ihn eine Anspannung, gegen die kein Gebet, keine innere Einkehr half. Schuld daran war Johann I., Archidiakon der Erzdiözese Trier und Stellvertreter des Erzbischofs Folmar von Karden.
Johann reiste seit einigen Wochen durch die Bistümer Metz, Toul und Verdun, besuchte die über die gesamte Erzdiözese verstreuten Güter des Erzbischofs und trieb den Pachtzins ein. Die letzte Etappe seiner Fahrt würde Varennes-Saint-Jacques sein, wo Folmar von Karden eine Mühle, zwei Häuser und mehrere Äcker besaß. Vorige Woche hatte Ulman die Nachricht erhalten, der Archidiakon werde bald eintreffen und wünsche eine standesgemäße Unterkunft im Bischofspalast der Stadt. Ulman war fest entschlossen, seinem Gast den Aufenthalt in Varennes so angenehm wie möglich zu gestalten. Denn Johann war nicht nur ein hochrangiger Kleriker, sondern auch der Reichskanzler von Kaiser Friedrich Barbarossa – mithin einer der mächtigsten Männer des Heiligen Römischen Reiches. Obendrein galt er als aussichtsreicher Anwärter auf den Stuhl des Erzbischofs. Wenn es Ulman gelang, ihn zufriedenzustellen, wäre das seiner Laufbahn gewiss zuträglich. Ulman leugnete seinen Ehrgeiz keineswegs. Er hatte nicht die Absicht, bis an sein Lebensende Bischof einer unbedeutenden Kleinstadt zu bleiben.
Also hatte er die Dienerschaft angewiesen, alles für die Ankunft des hohen Gastes vorzubereiten. Seit Tagen wurde geputzt, poliert und Staub gewischt, was das Zeug hielt. Tischler erneuerten Türen und Böden, Maurer strichen die Wände, Mägde verstreuten frische Binsen. Der Weber erhielt den doppelten Lohn, damit er den neuen Wandteppich für die Eingangshalle rechtzeitig fertigbekam. Die Köche kauften das beste Fleisch und den vorzüglichsten Wein. Der Schneider hatte Tag und Nacht gearbeitet, um Ulman eine neue Soutane aus erlesenstem flandrischem Tuch anzufertigen. Auch das Gesinde hatte neue Kleider bekommen und wurde angehalten, bei der Körperpflege die doppelte Sorgfalt walten zu lassen. Varennes mochte das kleinste der vier Bistümer Triers sein, doch Johann sollte keinesfalls den Eindruck gewinnen, es wäre auch das ärmste. Allein die Vorstellung, der Reichskanzler könnte schlecht über ihn denken, brachte Ulman um den Schlaf.
Eine knappe Woche war seit der Nachricht vergangen – Johann konnte also jeden Moment eintreffen. Und obwohl sämtliche Diener und Hörige in den vergangenen Tagen ununterbrochen gearbeitet hatten, war Ulman nicht zufrieden mit dem Ergebnis. Bei jedem Rundgang durch den Palast entdeckte er etwas, das sein Missfallen erregte.
»Was hat der Leuchter hier verloren?«, fragte er einen Diener, als er die Gesindeunterkünfte inspizierte.
»Im großen Saal war kein Platz mehr, Exzellenz«, antwortete der Mann furchtsam. »Ich musste ihn woanders hinstellen.«
»Und wieso hast du ihn nicht in die Eingangshalle oder wenigstens in die Gastquartiere gebracht?«
»Ich dachte, dort wäre er im Weg.«
»Dieser Leuchter stammt aus der Werkstatt des besten
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