Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
ist nur die Hitze. Sie macht mich noch fertig.«
»Wen nicht?«, brummte Jean und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Jedenfalls wollte ich dir nur sagen, dass ich heute Abend nicht dabei sein kann. Ich habe Milon versprochen, mit seinem Lehrherrn zu sprechen. Er hat wieder mal Ärger mit ihm.« Es gehörte zu Jeans Pflichten als Sprecher der Unmündigen, schlichtend einzugreifen, wenn ein Lehrling Streit mit seinem Meister hatte.
»Macht nichts«, sagte Michel. »Ich weiß ohnehin nicht, ob bei dem Treffen etwas herauskommen wird. Kannst du vorher zur Gilde gehen und uns für die Gruppe anmelden, die morgen früh nach Troyes aufbricht? Ich habe das gestern leider verschlafen.«
»Wird erledigt.«
Michel schaffte es gerade noch, sich den Straßenstaub abzuwaschen, ein frisches Gewand anzuziehen und Thérese und Matenda letzte Anweisungen zu geben, bevor die Glocken zur Vesper riefen und Catherine Partenay, Charles Duval und Marc Travère eintrafen. Zu seiner Überraschung hatte Catherine einen weiteren Schwurbruder mitgebracht: den greisen Kaufmann Abaëlard Carbonel.
»Warum habt Ihr mir nicht Bescheid gegeben, dass er auch kommt?«, fragte Michel Catherine leise, als sich der Alte mit Travères Hilfe die Treppe hinaufkämpfte.
»Ich habe Euch deswegen eine Nachricht geschrieben. Jacques, mein Knecht, sollte sie überbringen. Hat dieser Dummkopf es etwa vergessen?«
»Ich fürchte, ja.«
»Nicht einmal die einfachsten Aufgaben kriegt dieser Kerl hin. Wenn ich nicht so gutmütig wäre, hätte ich ihn längst auf die Straße gesetzt.« Catherine verzog den Mund. »Wie dem auch sei, Abaëlard ist in Ordnung – er steht auf unserer Seite. Als ich ihn gestern auf dem Friedhof traf, hat er mir gesagt, wie sehr ihm Euer Auftritt bei der Versammlung aus der Seele gesprochen hat. Da habe ich kurzerhand beschlossen, ihn mitzubringen.«
»Nun, je mehr wir sind, desto besser.« Michel beschloss, es mit dem Misstrauen nicht zu übertreiben, zumal es bei Carbonel gänzlich fehl am Platz war. Tatsächlich hatte er den kauzigen Kaufmann schon als Kind gemocht und tat es noch immer. Trotz seines biblischen Alters von gut und gerne fünfundsiebzig Jahren war der greise Salzhändler vernünftiger und Neuem gegenüber aufgeschlossener als so mancher Jüngling.
»Treppen sind die reinste Plage«, murrte Carbonel, als er die letzte Stufe bewältigte. »Ich hoffe, der Schurke, der sie erfunden hat, schmort im tiefsten Kreis der Hölle.«
»Guten Abend, Herr Carbonel«, begrüßte Michel ihn lächelnd. »Herzlich willkommen in meinem Haus.«
»Für dich Abaëlard, Jungchen. Du hast Mumm in den Knochen«, sagte der Alte und schlug Michel sanft mit seinem Stock gegen den Oberschenkel. »Ich habe gleich gewusst, dass du aus dem richtigen Holz geschnitzt bist. Einen Mann wie dich hat die Gilde wahrlich gebraucht. Bei der Zusammenkunft habe ich mir gewünscht, ich wäre jünger. Dann wäre ich aufgesprungen und hätte Jaufré gesagt, was ich von seinem Geschwätz halte!«
Michel führte seine Gäste in den Gesellschaftssaal und kredenzte jedem einen Kelch mit kühlem Wein. Nachdem er Thérese gebeten hatte, ein zusätzliches Gedeck aufzutragen, setzten sie sich.
»Bevor wir beginnen«, sagte er, »möchte ich euch daran erinnern, dass unser Treffen vertraulich ist. Hat euch jemand gesehen, als ihr hereingekommen seid?«
»Nicht dass ich wüsste«, antwortete Duval. »Aber falls uns doch jemand darauf anspricht, behaupten wir einfach, wir hätten Geschäfte besprochen.«
»Wo ist eigentlich der junge Caron?«, fragte Carbonel. »Seid ihr nicht enge Freunde?«
Damit sprach der Alte etwas an, das Michel nicht wenig zu schaffen machte. Er hatte lange überlegt, ob er Gaspard auch einladen solle, aber sich schließlich dagegen entschieden. Mit seinen Ansichten würde Gaspard die anderen nur verschrecken, und es würde todsicher Streit geben, bevor sie neue Ideen entwickeln konnten. Falls es ihnen heute Abend wirklich gelang, so etwas wie einen Plan zu fassen, konnte er seinen Freund immer noch einweihen. Mit diesem Vorgehen war er zwar nicht glücklich, aber eine bessere Lösung für diesen vertrackten Zwiespalt war ihm nicht eingefallen.
»Gaspard und ich sind in gewissen Fragen unterschiedlicher Meinung«, antwortete er. »Es ist noch nicht an der Zeit, ihn einzubinden.«
Glücklicherweise brachten in diesem Moment Thérese und Matenda das Essen herein, und der Anblick der köstlichen Speisen lenkte seine Gäste von
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