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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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immer Leute brauchen. Falls ich nicht auf Anhieb etwas finde, ist das nicht schlimm. Ich habe von Julien dreißig Deniers für das Schwein bekommen. Damit kommen wir eine Woche über die Runden, wenn es sein muss.«
    Mit jedem Wort, das sein Vater sagte, wuchs Michels Aufregung. Er hatte sich immer gewünscht, Varennes einmal zu sehen. »Wo werden wir wohnen?«
    »Bei meinem Lohnherrn, bis ich genug Geld für eine eigene Hütte gespart habe. Das wird nicht lange dauern – die Quartiere in der Unterstadt sollen nicht teuer sein. Und wer weiß, vielleicht bringen wir es eines Tages sogar zu einem richtigen Haus mit Fenstern und mehreren Räumen.«
    »So eins wie der Hof des Herrn?«, fragte Jean.
    »Schon möglich. Es hängt ganz davon ab, wie tüchtig euer Vater ist, schätze ich.« Ihr Vater lächelte, als Michel und sein Bruder einander voller Vorfreude anschauten. »Das Beste habe ich euch noch gar nicht erzählt. Es gibt ein altes Gesetz. Es besagt, dass jeder, der sich in Varennes niederlässt, nach einem Jahr und einem Tag ein freier Mann ist. Wenn Guiscard uns bis dahin nicht auf sein Land zurückgeholt hat, kann er uns nichts mehr anhaben. Wir wären keine Leibeigenen mehr.«
    »Wir müssten ihm nicht mehr gehorchen?«, fragte Michel.
    »Wir wären freie Menschen und nur dem Bischof von Varennes und dem Kaiser zu Treue verpflichtet. Nun esst auf. Es wird Zeit, dass wir weiterkommen.«
    Es schneite heftiger, als sie losgingen. Obwohl das Schneetreiben ihr Fortkommen nicht gerade erleichterte, war ihr Vater dankbar dafür, denn es löschte ihre Spuren aus. Michels Angst und Erschöpfung waren wie weggeblasen. Er konnte es kaum erwarten, endlich nach Varennes zu kommen und die Wunder zu sehen, von denen Herr Caron immerzu sprach, die bunten Märkte, die prächtigen Steinhäuser, die zahllosen Kirchtürme. Jean erging es genauso. Er hatte aufgehört, sich über den weiten Weg und seine schmerzenden Füße zu beklagen, und kämpfte sich entschlossen durch den Schnee.
    In der Morgendämmerung erreichten sie einen Fluss, ein graues Band, das sich durch das weiße Tal schlängelte – die Mosel. Sie war vollständig zugefroren. Am Ufer steckte ein kleines Boot im Eis fest.
    »Es ist nicht mehr weit«, sagte ihr Vater, während sie der Straße neben dem Fluss folgten. »Noch höchstens eine Wegstunde …« Er verstummte, und seine Augen weiteten sich. »Ins Gebüsch mit euch, schnell!«
    Bevor Michel ihm und Jean nachrannte, sah er noch, dass auf einer Anhöhe im Osten vier Schatten erschienen waren.
    Reiter.
    Keuchend schlüpfte er durch das Buschwerk am Straßenrand. Vereiste Zweige rissen an seinem Wollumhang und peitschten ihm ins Gesicht, als er seinem Vater und seinem Bruder folgte. Gut zwanzig Ellen von der Straße entfernt duckten sie sich und beobachteten das Flussufer durch das Geäst eines Brombeerstrauchs.
    Die Männer kamen näher. Schweigend ritten sie die Straße entlang. Obwohl sie weite Umhänge trugen und ihre Gesichter in den Mantelkapuzen verbargen, gab es keinen Zweifel daran, dass es sich um Guiscard de Thessy und drei seiner Soldaten handelte.
    Michel wagte nicht zu sprechen, nicht zu atmen. Sie sind unseretwegen hier. Sie wollen uns einfangen, nach Fleury zurückbringen und bestrafen. Aber wie nur hatte der Herr von ihrer nächtlichen Flucht erfahren? Sie waren doch so vorsichtig gewesen. Hatte man sie verraten? Bitte lass sie nicht unsere Spuren sehen!
    Kurz darauf erreichten die Reiter die Stelle, wo die kleine Familie die Straße verlassen hatte. Obwohl der Schnee hier nicht sehr hoch lag und obendrein festgefroren war, konnte man ihre Spuren leicht erkennen. Es musste nur einer der Männer im richtigen Moment zur Seite schauen …
    Der Ritter und seine Kriegsknechte ritten an der Stelle vorbei, ohne die Abdrücke im Schnee zu bemerken. Gott hatte Michels Gebet erhört – dank des Schneetreibens hatten die Männer die Spuren einfach übersehen.
    Unglücklicherweise wählte Vivienne genau diesen Moment, um aufzuwachen und nach ihrer Puppe zu fragen.
    »Wo ist Joie?«
    »Sei still!«, zischte Michel leise, und sein Vater machte »Schhhh«, während er das Mädchen an seine Brust drückte – doch es war bereits zu spät. Guiscard zügelte sein Schlachtross und starrte zum Gebüsch.
    »Habt ihr das gehört? Das war ein Kind, oder?«
    Nun hielten auch die Soldaten ihre Pferde an. Einer ließ seinen Blick über den Schnee neben der Straße schweifen. »Hier sind Spuren, Herr. Sie führen da

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