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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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eine angenehme Brise. Michel wusste, dass er vor allem eines brauchte, um aus diesem Irrgarten widerstreitender Wünsche und aufgewühlter Gefühle herauszufinden: kühle Vernunft. Deshalb war es die richtige Entscheidung gewesen, das stickige Haus zu verlassen. Kaum hatte er einen Fuß auf den Domplatz gesetzt, spürte er, wie seine Gedanken klarer wurden.
    Wenn ich an meinem Plan festhalte, kann ich vielleicht Géroux stürzen. Dafür riskiere ich, mich mit meinem besten Freund zu überwerfen und die Frau zu verlieren, die ich liebe.
    Das war die Entscheidung, vor der er stand. Aber war es tatsächlich so einfach, so eindeutig? Musste er wirklich zwischen dem Wohl der Gilde und seinem persönlichen Glück wählen?
    Angenommen, er gäbe sein Vorhaben auf: Würde er damit seine Freundschaft zu Gaspard retten? Wohl kaum. Der Graben zwischen ihnen war bereits zu tief. Gaspard hatte sich in den letzten Jahren so sehr in seinen Zorn hineingesteigert, dass er keinen anderen Weg neben seinem gelten ließ. Wenn Michel seine Freundschaft erhalten wollte, würde er alle eigenen Pläne aufgeben und sich dessen Ideen bedingungslos zu eigen machen müssen. Gaspard würde sich mit nichts weniger zufriedengeben.
    Käme solch ein Schritt für ihn infrage?
    Nein. Unter keinen Umständen.
    Er dachte an den Abend mit Catherine, Carbonel, Travère und Duval und an den Traum, der in jenen Stunden geboren worden war – den Traum von Varennes’ Zukunft. Die Bilder, die er mit seiner Rede heraufbeschworen hatte, hatten seinen Gästen neuen Mut schenken sollen, doch sie waren längst mehr, hatten eine Kraft entwickelt, die sogar ihn, ihren Schöpfer, mitriss und begeisterte. Er glaubte an das, was er gesagt hatte. Und in diesem Moment wurde ihm klar, dass er alles dafür tun würde, damit dieser Traum Wirklichkeit wurde. Alles. Und wenn es Opfer von ihm forderte.
    Er bemerkte, dass er unwillkürlich auf der Grande Rue nach Südosten gegangen war, in Richtung Salztor – zum Viehmarkt. Er blieb stehen und kehrte wenig später um. So sehr er sich danach sehnte, Isabelle zu sehen, so falsch wäre es gewesen, jetzt zu ihr zu gehen. Es würde Gaspard nur noch mehr gegen ihn aufbringen. Michel blieb nichts anderes übrig, als sich vorerst von ihr fernzuhalten.
    Eine Weile schlenderte er ziellos durch die Gassen, bis er sich schließlich auf dem Friedhof seiner Pfarrkirche wiederfand. Er ging zum Grab seines Vaters und betrachtete die Inschrift im Stein, während der laue Septemberwind durch sein Haar strich.
    Was soll ich tun?
    Er wusste die Antwort längst: Da er zunächst nichts dagegen unternehmen konnte, dass sich Gaspard von ihm abwandte, musste er seinen Plan weiterverfolgen. Es war geradezu seine Pflicht, für seinen Traum zu kämpfen. Das war er jenen Menschen schuldig, die ihm vertrauten. Dabei musste er sich an die Hoffnung klammern, dass sich später ein Weg ergab, seine Freundschaft zu Gaspard zu retten. Vielleicht kam es so, wie Jean sagte, und Gaspard würde letztlich einsehen, dass Michels Pläne auch ihm nutzten – dass sie trotz ihrer Differenzen auf derselben Seite standen.
    Er dachte an Isabelle, an ihr Lächeln, ihre Katzenaugen, und es zerriss ihm schier das Herz.
    Bitte hilf mir, Vater.
    Der Wind strich durch die drei alten Birken, ein Blatt löste sich vom Zweig und ließ sich lautlos wie ein Schmetterling auf seiner Schulter nieder.
    Am Abend des nächsten Tages kamen Catherine, Carbonel, Duval und Travère zu dem verabredeten Treffen. Michel berichtete ihnen, dass es ihm nicht gelungen war, Gaspards Stimme zu gewinnen, ohne jedoch auf die Einzelheiten ihres Streits einzugehen.
    »Warum will er Euch nicht helfen?«, erkundigte sich Catherine. »Ist er nicht Euer engster Freund?«
    »Bis gestern war er das, ja«, erwiderte Michel mürrisch.
    Die Kauffrau war taktvoll genug, nicht nachzufragen, was diese Bemerkung bedeutete.
    Travère blickte ihn besorgt an. »Steht zu befürchten, dass Caron anderen von unseren Plänen erzählt?«
    »Er hat mir sein Wort gegeben, Stillschweigen über unser Gespräch zu wahren.«
    »Wird er sein Versprechen halten?«
    »Natürlich«, antwortete Michel entschieden. »Gaspard ist trotz allem ein Ehrenmann.«
    »Ich habe Jaufré heute Mittag in der Gildehalle getroffen«, sagte Carbonel. »Es besteht kein Grund zur Sorge. Er ahnt nicht das Geringste.«
    »Konntet Ihr Fabre und Melville für uns gewinnen?«, fragte Michel Catherine und den Alten.
    »Beide sind sehr von unseren Plänen

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