Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Isabelle?«, fragte er stattdessen. »Wieso ist sie so fröhlich?«
»Weißt du das nicht? So ist sie immer, wenn sie mit Michel spazieren war.«
»Wann hat sie ihn denn getroffen?«
»Gestern Abend. Und an den Abenden davor.«
»Hat sie sich etwa in ihn verliebt?«
»Ist das nicht offensichtlich?« Lutisse lächelte. »Das Mädchen hat aber auch ein Glück. Von einem Mann umworben zu werden, der nicht nur wohlhabend ist, sondern auch jung, gutaussehend und freundlich – wenn ich nicht schon einen wunderbaren Ehemann hätte, würde ich deine Schwester maßlos beneiden«, sagte sie und zupfte neckend an seinen Brusthaaren.
Abermals schwieg Gaspard.
Seine Frau winkelte ihren Arm an und stützte ihren Kopf auf die Hand. »Ist das nicht genau das, was du wolltest?«
»Ja – vor ein paar Wochen. Inzwischen bin ich mir nicht mehr so sicher.«
»Du solltest dich bald entscheiden. Michel wird gewiss noch vor Michaeli um ihre Hand anhalten. Ich finde, du solltest sie ihm zur Frau geben«, erklärte Lutisse entschieden. »Er wäre eine ausgezeichnete Partie. So eine Möglichkeit bietet sich dir vielleicht nie wieder.«
»Das mag schon sein«, murmelte er.
»Wieso zögerst du dann? Du hast selbst gesagt, dass es schwer ist, einen guten Mann für Isabelle zu finden.«
»Es ist kompliziert, Lutisse.«
»Ich verstehe dich nicht. Du redest doch immer davon, dass es dein sehnlichster Wunsch sei, deine Schwester glücklich zu machen. Was spricht denn auf einmal gegen Michel? Ist er nicht mehr dein Freund?«
Natürlich war Michel ihm nach wie vor teuer. Es ließ sich jedoch nicht leugnen, dass ihre Freundschaft seit dem Abend mit Stephan, Raoul und Ernaut Risse bekommen hatte. Bei grundlegenden Fragen vertraten sie Ansichten, die gegensätzlicher nicht sein konnten. Das stand seitdem zwischen ihnen – daran änderte auch ihre Abmachung nichts, sich von der Politik nicht entzweien zu lassen. Gaspard ahnte, dass dies ihre Freundschaft eines Tages auf eine harte Probe stellen würde, wenngleich er inständig hoffte, dass es anders käme. Unter diesen Umständen wäre es nicht klug, Isabelle Michel zur Frau zu geben. Es war besser abzuwarten, wohin sich die Dinge entwickelten, bevor er eine übereilte Entscheidung traf, die der Familie und damit auch Isabelle Schaden zufügte.
»Das sind Männerangelegenheiten«, sagte er. »Davon verstehst du nichts.«
»Vielleicht«, erwiderte Lutisse kühl. »Aber vom Herzen einer Frau verstehe ich genug. Mit deiner Unentschlossenheit setzt du Isabelles Glück aufs Spiel. Was immer deine Bedenken sind, ich hoffe, du vergisst das nicht.«
Sie zog die Decke hoch, kroch zum äußersten Rand des Bettes und drehte ihm den Rücken zu.
In dieser Nacht dauerte es lange, bis Gaspard Schlaf fand.
Michel erfuhr erst am nächsten Morgen, dass Gaspard aus der Champagne zurückgekehrt war. Sogleich besuchte er ihn, um ihn über seine Pläne zu unterrichten.
Ein Knecht ließ ihn herein. »Der Herr ist oben in der Schreibstube.«
Michel hielt nach Isabelle Ausschau, während er die Treppen hinaufstieg, doch weder sie noch Lutisse und Marie schienen zu Hause zu sein. Vermutlich waren sie wie die halbe Stadt draußen auf dem Viehmarkt, wo heute Züchter aus dem südlichen Moseltal Rinder, Schafe und Schweine verkauften.
Die Tür der Schreibstube stand offen. Gaspard saß am Tisch, wog Münzen und zählte Geld.
»Guten Morgen«, begrüßte Michel ihn. »Hast du eine Stunde Zeit? Ich muss etwas mit dir bereden.«
Sein Freund wirkte übellaunig und müde. Er musterte ihn durchdringend, bevor er ihn aufforderte, Platz zu nehmen.
Irgendetwas bedrückt ihn. Michel erwog, morgen wiederzukommen. Nein. Dieser Moment ist so gut oder schlecht wie jeder andere. Es wäre nicht richtig, es aufzuschieben. »Wie waren die Geschäfte in Troyes?«
»Ich kann nicht klagen«, antwortete Gaspard kurz angebunden. »Aber deswegen bist du nicht hier, oder?«
»Nein«, gab Michel zu und entschied, ohne Umschweife zur Sache zu kommen. »Es geht um die Gilde. Ich habe einen Plan, wie wir den Einfluss der Ministerialen zurückdrängen können, damit sie endlich wieder unsere Interessen vertritt. Aber dafür brauche ich deine Hilfe.«
Nun gehörte ihm Gaspards ganze Aufmerksamkeit. Sein Freund schob das Rechenbrett und die Geldwaage zur Seite und legte die Hände auf die Armlehnen. »Was ist das für ein Plan?«
»Ich habe mich neulich mit Catherine Partenay, Abaëlard Carbonel, Charles Duval und Marc Travère
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