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Das Salz der Mörder

Das Salz der Mörder

Titel: Das Salz der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Otto Stock
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Frau Wegner wurde
von ihrem Ex-Mann in ihrer Münchener Wohnung überfallen. Bevor er die Kinder
entführte, erklärte er ihr, was in jenem Dorf vor sich geht und wozu er jetzt
die Kinder benutzen will.
    ARD:
Herr Schmid-Mertens, wie uns die Anwältin der Familie Wegner, Frau von
Bentheim, in einem erst kürzlich ausgestrahlten Fernsehinterview mitteilte, sei
die Staatsanwaltschaft bereits im vergangenen Herbst über die Vorgänge in
dieser Gemeinde in Kenntnis gesetzt worden. Wenn das den Tatsachen entspricht,
warum diese verspätete Aktion?
    Dr.
SCHMID-MERTENS: Ich bemühe mich ständig um ein gutes Verhältnis zur
Kriminalpolizei, weil ich auf saubere Ermittlungen und vertrauensvolle
Zusammenarbeit angewiesen bin. Bedauerlicherweise ist mir nicht bekannt, wie
Frau von Bentheim ihre privaten Ermittlungen führt und aus welchen
geheimnisvollen Quellen sie ihre Informationen schöpft. Was mir hingegen
bekannt ist, ist, dass ein verdeckter Mitarbeiter ihrer Kanzlei im Zusammenhang
mit den „Drei Isartoten“ seit dem 5. Januar in Untersuchungshaft einsitzt, und
ich gegen Herrn Manfred Wegner wegen Entführung und Erpressung Anklage erhoben
habe.
    ARD:
Sie sprachen von Erpressung? Welche Forderungen stellt der Wegner?
    Dr.
SCHMID-MERTENS: Nachdem sich dieser Herr mit seinen beiden Kindern abgesetzt
hat und, wie es scheint, in Sicherheit fühlt, erhielt die ermittelnde
Staatsanwaltschaft ein Bekennerschreib. . .
    ARD:
Die ermittelnde Staatsanwaltschaft? Aber die ermittelnde Staatsanwaltschaft,
das sind doch Sie.
    Dr.
SCHMID-MERTENS: Gewiss bin ich das. Also, ich erhielt einen persönlichen Brief
von Herrn Wegner.
    ARD:
Er schreibt Ihnen einen persönlich Brief? Von Mann zu Mann, oder wie? Was hat
das zu bedeuten? Was will er denn?
    Dr.
SCHMID-MERTENS: Um es ganz einfach zu sagen: Er verlangt vom deutschem Staat
beziehungsweise vom deutschen Steuerzahler - wie immer Sie wollen - eine Summe
von fünfzig Millionen Dollar, um sich in irgendeiner „Freien Ära“ zur Ruhe
setzen zu können. Und ich soll dabei seinen Vermittler spielen.
    ARD:
Wie bitte? Ist der Mann irrsinnig geworden? Haben Sie den Brief von Ihren
Experten untersuchen lassen?
    Dr.
SCHMID-MERTENS: Selbstverständlich. Die Experten, unsere Psychologen, unsere
Paläographen und Graphologen - das sind die Schriftsachverständigen - alle sind
sich ausnahmsweise einmal einig: Das Schreiben ist echt, und der Mann sei ganz
und gar nicht geistesgestört.
    ARD:
Wollen Sie damit eventuell andeuten, dass Sie diese Sache ernst nehmen.
    Dr.
SCHMID-MERTENS: Das muss ich ja wohl. Er bildet sich nämlich ein, dass der
deutsche Staat durch die Zahlung dieser fünfzig Millionen Dollar seine
dreißigjährige DDR-Zugehörigkeit, seine Geiselhaft in Kuwait und die Entführung
von Wusterwalde - seine erlittenen Qualen also, die ihm schuldlos zugefügt
wurden - angemessen entschädigen wird. Er sieht das als eine Art
Lastenausgleich. Überdies fühlt sich Herr Wegner von der Bundesregierung
verhöhnt und empfindet es als einen ungeheuerlichen politischen Skandal, dass
die SED-Nachfolgepartei, die der PDS nahestehende „Rosa-Luxemburg-Stiftung“ für
ihre politische Bildungsarbeit um ein Vielfaches mehr Geld aus Steuermitteln
vom Deutschen Bundestag erhält als die „Stiftung zur Aufarbeitung der
SED-Diktatur“. „Wir müssen uns den vielen Opfern, nicht den seelenlosen Tätern
dieses ehemaligen Regimes zuwenden, uns täglich ihre Leiden in Erinnerung
rufen, und diese versuchen zu lindern“, stellt er in seinem Schreiben fest.
    Prof.
LEISTNER: Aber meine Herren, ich bitte Sie, jetzt wird der Mann auch noch
politisch und pathetisch.
    ARD:
Hören Sie, wenn jeder, der sich vom deutschen Staat belogen, betrogen und
verhöhnt fühlt, sich zu ähnlichen Methoden wie der Wegner hinreißen ließe,
würden – und ich denke nicht, dass ich übertreibe - achtzig Prozent der Bürger
aus den neuen Bundesländern und vierzig Prozent aus den alten an Sie
Erpresserbriefe schreiben. Glauben Sie wirklich, er meint es ernst damit?
    Dr.
SCHMID-MERTENS: Das weiß ich nicht. Die Sachverständigen bejahen die
Ernsthaftigkeit seines Schreibens jedenfalls.
    ARD:
Professor Stückli, was meinen Sie, als Soziologe dazu?
    Prof.
STÜCKLI: Ich muss ehrlich gestehen, ich kann Ihrer Diskussion nicht so recht
folgen. Was wollen Sie von Herrn Wegner überhaupt. Er weiß, was er will. Das
weiß er ganz genau. In meinem jüngst erschienenen Essay „Markt der Egoismen“
beschreibe ich eindeutig den

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