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Das Salz der Mörder

Das Salz der Mörder

Titel: Das Salz der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Otto Stock
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Er
behauptet: Währenddessen er seinen Reservedienst bei der Nationalen Volksarmee
der DDR geleistet habe, hatte seine Frau Kontakt mit verschiedenen Männern,
deshalb sei Daniel nicht von ihm. Über die Tochter Gabriele äußert er, dass er
innerhalb der fraglichen Empfängniszeit drei Monate mit einer anderen Frau
zusammengelebt habe. Wenn seine Stasiakten tatsächlich noch existierten, könne
man das dort ohne weiteres nachlesen.
    Prof.
LEISTNER: Quatsch! Das ist ja reiner Blödsinn, was er da von sich gibt. Ich
gebe zu, wenn seine Geschichte wahr ist, hat der Mann bis jetzt keine rosigen
Zeiten erlebt. Wir waren auch nicht auf Rosen gebettet, das ist vollkommen
irrelevant. Selbst wenn es nicht seine eigenen Kinder sein sollten, bleibt er
dennoch lebenslänglich ein Kindermörder.
    Prof.
STÜCKLI: Ich sage Ihnen was: Das ganze ist ein Spiel. Er spielt mit Ihrer
Republik Katz und Maus, Tom und Jerry, was immer Sie wollen. Er könnte seinen
deutschen Landsleuten zwanzig Wochen lang, zwanzig Kinderfinger auf ihren
sonntäglichen Mittagstisch präsentieren, vier Wochen für vier Ohren, nochmals
zwanzig Wochen für zwanzig Zehen. Dann vielleicht zwei Nasen, vier Unterarme,
vier Oberarme, vier Unterschenkel, vier Oberschenkel. Haben Sie mitgerechnet?
Er könnte sein Spiel zweiundsechzig Wochen lang spielen. Über mehr als ein Jahr
würde im Deutschen Fernsehen „Die Manfred Wegner Show“ laufen. Wie lange,
glauben Sie wohl, würde sich das das deutsche Fernsehvolk gefallen lassen, ohne
gegen die staatlichen Behörden anzustürmen? Das Echo in der Bevölkerung und in
den Medien wird die Politiker zu Antworten auf höchst umstrittene Fragen
zwingen. Es geht auch darum, dass achtzig Millionen Deutsche behaupten „Ein
Herz für Kinder“ zu haben. Wegen der bevorstehenden Bundestagswahl im
September, wird freilich Ihre amtierende Regierung im Zugzwang sein. Die
Opposition reibt sich im Hintergrund schadenfroh die Hände, denn der Volkszorn
wird sich nicht nur auf den Täter beschränken, er wird ebenso Ermittlungsorgane
und Politiker einschließen.
    Prof.
LEISTNER: Wir dürfen dabei einen anderen Aspekt nicht ignorieren. Professor
Stückli erwähnte das Wort bereits: die Medien. Zunehmend wird darüber
diskutiert, ob aufgrund der massiven Berichterstattung der Medien
Nachahmungstäter animiert werden könnten. Ich bin der festen Überzeugung, die
mediale Beeinflussung ist mitverantwortlich für jede Form von Kriminalität. Sei
es durch Film, Fernsehen, Video, Rundfunk oder die Printmedien.
    Dr.
FLÖTER: Aber ich bitte Sie, Herr Professor Leistner, was Sie da sagen, ist bis
heute nirgendwo dokumentiert. Und Statistiken beweisen das erst recht nicht. Es
sind immer noch die Menschen, die Gewalt ausüben, nicht die Medien.
    ARD:
Ich wiederhole meine Frage: Ist Deutschland, ist die Bundes-republik
Deutschland erpressbar? Wird es Manfred Wegner gelingen die fünfzig Millionen Dollar
zu bekommen? Ja oder Nein?
    Dr.
SCHMID-MERTENS: Bislang war kein Regierungsberater annähernd imstande gewesen
einen vernünftigen Ratschlag von sich zu geben, ohne - bei Misserfolg - selbst
aus seinem Amt katapultiert zu werden. Ob der Wegner nun Spaß oder Ernst macht,
weiß kein Mensch. Auch unsere Sachverständigen sind ratlos. Sie behaupten zwar,
der Mann sei nicht geistesgestört, also schuldfähig, doch eine konstruktive
Empfehlung haben die genauso wenig, keinen Standpunkt. Null und nichts.
    Prof.
LEISTNER: Ich kann mich nicht erinnern, dass dergleichen jemals in unserer
deutschen Geschichte vorgekommen wäre - wenn Sie Heinrich von Kleists „Michael
Kohlhaas“ einmal davon ausklammern -, dass eine einzelne Person in der Lage ist
einen ganzen Machtapparat zu erpressen.
    Dr.
FLÖTER: Der Vergleich mit Michael Kohlhaas ist gar nicht so abwegig. Leider
wurde der arme Mann unschuldig hingerichtet. Was Manfred Wegner zu stoßen wird,
weiß der liebe Gott allein, und das Landgericht München, wenn er gefasst worden
ist.
    ARD:
Liebe Zuschauer, ich bekam gerade ein Zeichen, dass Frau Wegner soeben in
unserem Aufnahmestudio eingetroffen ist. Sie muss zuerst in die Maske. Ich
hoffe, sie wird in einigen Minuten bei uns sein.
    Prof.
STÜCKLI: Man sollte ein anderes, wichtiges Phänomen nicht aus den Augen
verlieren: der vorhin bereits mehrfach geäußerte Volkszorn. Wäre ich
promovierter Psychologe, würde ich ohne zu zögern behaupten, der Wegner baut
seine Taktik auf diesen Volkszorn auf. Und des Volkes Zorn könnte außer Kontrolle
geraten. Lesen

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