Das Salz der Mörder
Ashanti
Gold House“ - geschlossen. An den Türen und Fenstern hingen übergroße
Vorhängeschlösser. Alles, was zu öffnen ging, war von der Polizei versiegelt
worden. Die meisten käuflichen Mädchen aus dem „Gold House Love Centre“ wurden
verhaftet. Die wenigen, die sich während der Razzia verstecken konnten, hatten
sich inzwischen in meinem kleinen Haus eingenistet. Florence schien den Tränen
nahe, als sie mich vom Bus abholte. Sie war die einzige, die mir erklären konnte,
was überhaupt vor sich ging und weshalb Steven in James Fort einsaß. Die
Anklage, die er zu erwarten hatte, bestand nur aus einem einzigen Wort:
Steuerhinterziehung.
Auf Gold kann man verzichten, nicht aber auf das Salz. (Cassiodor)
73. Die Talkshow „talk und
me(e)hr“
ARD:
Guten Abend, meine Damen und Herren. Mein Name ist Hans-Peter Hahn von der
ARD-Tagesschauredaktion in Hamburg. Ich begrüße Sie recht herzlich zu einer
neuen Ausgabe von „talk und me(e)hr“.
In
unserer heutigen Gesprächsrunde werden wir uns ausschließlich einem Thema
widmen, das in den letzten Wochen und Monaten die Schlagzeilen der Zeitungen
füllte, zu heftigen Kontroversen und zum Rücktritt eines stellvertretenden
Staatssekretärs des Kieler Innenministeriums führte.
Wusterwalde,
ein kleines Dorf in Schleswig-Holstein, kaum beachtet von der Außenwelt und
versteckt hinter einer waldreichen Landschaft an der Nordseeküste, gelangte zu
trauriger Berühmtheit, als bekannt wurde, dass es sich seit mehreren Jahren im
Besitz einer dubiosen, hinduistischen Sekte befindet, die sich „Gemeinde der
Auserwählten des Erlösers“ nennt. Nach ersten Erkenntnissen entführte diese
Sekte, Männer, um sie zu sexuellen Exzessen zu missbrauchen. Vor mir liegt auch
das Videoband, welches unserer Sendeanstalt vor einiger Zeit anonym zugestellt
wurde, auf dem der mutmaßliche Entführer seiner Tochter und seines Sohnes,
Manfred Wegner, während eines Geschlechtsaktes zu sehen ist. Es wird vermutet,
dass diese Szenen von besagter Sekte aufgezeichnet worden sind. Der Film lief
kürzlich in unserem Nachtprogramm.
Zurzeit
ist das Dorf von Polizei und Bundesgrenzschutz umstellt und das Rathaus durch
bewaffnete Einsatzkräfte abgeriegelt.
Ich
begrüße meine heutigen Gesprächspartner recht herzlich, und das sind zu meiner
Rechten: Frau Doktor Christine Flöter, stellvertretende Leiterin des
Kriminologischen Forschungsinstituts Brandenburg; Herr Martin Leistner,
Professor für Schulpädagogik und Medienwirkungsforscher an der Uni Hamburg. Zu
meiner Linken begrüße ich den Züricher Soziologen Professor Louis-René Stückli
und neben ihm den Leiter der Ermittlungen zur Aufklärung im Entführungsfall
Manfred Wegner, Staatsanwalt Doktor Andreas Schmid-Mertens aus München.
Weiterhin erwarten wir Frau Veronika Wegner, die Mutter, der seit fast neun
Monaten vermissten Gabriele und des jüngst entführten Daniel. Leider ist sie
noch nicht eingetroffen. Das sollte uns jedoch nicht davon abhalten, zu
beginnen. Und ich richte meine erste Frage an Doktor Schmid-Mertens. Herr
Staatsanwalt, ich freue mich, dass Sie trotz der hektischen Ereignisse der
letzten Tage die Zeit gefunden haben, um in unser Hamburger Studio zu kommen
und uns Rede und Antwort stehen werden. Wie ist der Stand der Dinge im Fall
Wusterwalde? Dem Vernehmen nach haben Sie sich auf eine längere bewaffnete
Auseinandersetzung mit den Sektenmitgliedern eingestellt. Wie kam es zu der
Entscheidung dieses Dorf zu stürmen?
Dr.
SCHMID-MERTENS: Schon seit mehreren Wochen erhielt unsere Behörde zunehmend
Hinweise im Zusammenhang mit der Entführung von Gabriele Wegner. Auch über
eigenartige Aktivitäten in diesem schleswig-holsteinischen Dorf wurde uns
berichtet. Den ausschlaggebenden Anstoß für unsere Aktion hingegen, gab Frau
Veronika Wegner. Aus ihrem Protokoll vom letzten Mittwoch entnahmen wir, dass
sich in Wusterwalde seit etlichen Jahren eine militante Sekte verborgen haben
soll, die mutmaßlich Männer entführt, sie einsperrt und zum Geschlechtsverkehr
zwingt. Das erfüllt den dringenden Tatbestand der kriminellen Vereinigung, der
Freiheitsberaubung und der Nötigung.
ARD:
Herr Staatsanwalt, wo hat denn Frau Wegner ihre Informationen her? Es ist doch
äußerst verwunderlich: Wie kann es möglich sein, dass sich solche Leute über
Jahre hinweg unbehelligt in einem deutschen Dorf verschanzen, ohne dass jemand
daran Anstoß nimmt.
Dr.
SCHMID-MERTENS: Das geht ebenfalls aus dem Protokoll hervor.
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