Das Salz der Mörder
Sie mal bei Freud nach, was der über die Masse sagt. Er
beschreibt die Masse als erstaunlich beeinflussbar, leichtgläubig und
kritiklos. Die Gefühle der Masse sind sehr einfach und überschwänglich. Sie
geht sofort zum Äußersten. Ein einmal ausgesprochener Verdacht verwandelt sich
bei ihr sogleich in unumstößliche Gewissheit. Ein Keim von Antipathie wird zum
wilden Hass.
Prof.
LEISTNER: Denken Sie bloß an Hitlers Reichspropagandaleiter der NSDAP,
Reichsminister für Volksaufklärung und später Präsident der Reichskulturkammer,
Joseph Goebbels. Der beherrschte das auf einzigartige Weise. Durch Suggestion
lenkte er die öffentliche Meinung dorthin, wo er sie hin haben wollte.
Prof.
STÜCKLI: Sie haben recht, Herr Professor, weil dieser Mann wusste, die Masse
ist nicht nur intolerant, sondern auch außerordentlich autoritätsgläubig. Sie
respektiert ausschließlich Kraft und lässt sich von Güte nicht beeinflussen.
Denn Güte hält sie für Schwäche. Was die Masse von ihren Helden verlangt, ist
Macht und Stärke, selbst Gewalttätigkeit. Sie fordert Illusionen. Sie müssen
sich mal ansehen, was beim Fußball oder bei Rockkonzerten vor sich geht, wie
den Massenindividuen alle individuellen Hemmungen entfallen und alle grausamen,
brutalen, destruktiven Instinkte, die als Überbleibsel der Urzeit im Einzelnen
schlummern, zur freien Triebbefriedigung geweckt werden.
ARD:
Bitte, meine Herren, ich weiß nicht, wohin unsere Diskussion derzeit abdriftet.
Ich sehe keinen Zusammenhang mehr mit unserem eigentlichen Thema.
Dr.
FLÖTER: Herr Hahn, ich denke schon, wir behandeln noch denselben Tatbestand.
Ich glaube, was Professor Stückli meint, ist sehr interessant und vollkommen
richtig. Sollte nämlich der Wegner tatsächlich den Volkszorn für seine
Erpressung auszunutzen wissen, hätte er leichtes Spiel. Wir haben festgestellt,
dass die Masse stets dem Starken hinterher rennt und den Schwachen verachtet.
Wenn die Bundesregierung bezahlt, zeigt sie Schwäche und unser Held heißt
Manfred Wegner. Er wird überschwänglich bejubelt werden, wenn es ihm gelingt an
das geforderte Geld zu gelangen, ohne das die Körperteile seiner Kinder in
deutschen Wohnzimmern via Fernsehen jeden Sonntag als Vorspeise auf den
deutschen Mittagstischen liegen. Bitte, verzeihen Sie mir meine makabere
Ausdrucksweise. Gesamtdeutschland wird das als brillantes Gaunerstück lachend
abtun. Doch wehe dem, nur ein einziger abgeschnittener Finger taucht auf, dann
wendet sich der Zorn des Volkes gegen beide: gegen Wegner, der ohne Gnade und
aus purer Raffgier seine - oder nicht seine - Kinder zerstückelt, und gegen den
machtlosen Staatsapparat, der nicht dazu fähig war diesen Mann hinter
schwedische Gardinen oder in eine Klapsmühle zu bringen.
ARD:
Hat man bereits in Erfahrung gebracht, wie die Geldübergabe - wenn überhaupt –
vonstatten gehen soll? Ich kann mir nicht vorstellen, dass fünfzig Millionen
Dollar so einfach in einen Aktenkoffer gestapelt werden können.
Dr.
SCHMID-MERTENS: Das weiß zurzeit noch niemand. Wegner äußerte sich über dieses
Problem nicht in seinem Brief.
ARD:
Unter Umständen lässt sich Herr Wegner ähnliche Tricks einfallen wie ehedem
Dagobert, der Kaufhauserpresser. Herr Staatsanwalt, wenn ich das richtig
übersehe, haben Sie gleichzeitig zwei Fälle zu bearbeiten, die im Grunde nicht
zusammengehören. Unterbrechen Sie mich, wenn ich mich irre. Sie dürften rein
rechtlich nicht in Schleswig-Holstein ermitteln. Bin ich da korrekt informiert?
Dr.
SCHMID-MERTENS: Nun, das geschah in Absprache mit dem Bundeskriminalamt und dem
Bundesjustizministerium. Der „Fall Wegner“ ist sehr eng mit dem „Fall Sekte
Wusterwalde“ verflochten, und man entschied, mir die weiteren Ermittlungen für
beide Fälle zu übertragen.
ARD:
Sind Sie nicht überfordert? Denn wie eben erst bekannt wurde, wurde eine Geisel
in Wusterwalde zweimal angeschossen, die von Ihren Männern nicht einmal
medizinisch versorgt werden durfte. Wie kam es zu diesem Vorfall?
Dr.
SCHMID-MERTENS: Herr Hahn, Sie waren mit mir dabei, als man uns die zwei Herren
vor dem Eingang zum Rathaus präsentierte. Ein Ultimatum dieser so genannten
Bürgermeisterin - dieser Margot S. Hansen - verstrich, und die macht jetzt ihre
Drohung wahr: Jeden Tag schießen sie dem Mann aus Düsseldorf mit einem
Kleinkalibergewehr eine Kugel in den Körper, ohne ihn dabei zu töten. Die
Hansen will ihn langsam verbluten lassen. Die andere Geisel aus Wolfsburg
lassen sie
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