Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
stressig heute?" Ohne Bassetts Antwort abzuwarten, blickte er nach rechts und stutzte den Bruchteil einer Sekunde, als er Abdul auf seinem Platz gewahrte. Abdul hatte es bemerkt; er erhob sich und wies Cannon den Weg zur Fensterbank. Sie begegneten sich auf halbem Weg, schüttelten sich kurz die Hände.
Bassett wartete ungeduldig, bis beide ihre Plätze eingenommen hatten. „OK, Gentlemen, Thema ist die Aktion am 14. August. Abdul, erzähl! Was ist das Ergebnis eurer Örtlichkeitsanalyse? Wie, glaubst du, sollen wir vorgehen?“
Abdul zog die Kopie eines Kartenausschnitts des Khyber-Park-Areals sowie Skizzen der Etagengrundrisse aus der Innentasche seines Jacketts und breitete sie auf dem Schreibtisch aus. Cannon verließ seinen angestammten Platz, auch Bassett stemmte sich widerwillig aus seinem Chefsessel. Abdul wies auf einen Kartenausschnitt. „Ihr seht selbst, daß die enge Bebauung Aktionen im Freien praktisch ausschließt. Hinzu kommt die unmittelbare Nähe des Supermarktes und der Moschee. Die engen Gassen sind den ganzen Tag über dicht bevölkert. Überall befinden sich Zugänge zu Innenhöfen, die teilweise miteinander verbunden sind. Die Fluchtwege sind derart zahlreich und in alle Himmelsrichtungen nutzbar, daß das gesamte Gelände auf einer Länge von 3,5 Kilometern umstellt werden müßte. Das ist, ohne aufzufallen, nicht darstellbar. Prioritäten für eine Abriegelung ergeben sich ebenfalls nicht. Nach Norden, Westen und Süden ist man rasch in unwegsamem Gelände, Richtung Osten nach Durchquerung des zur Zeit nahezu trockenen Flußbetts in einer angrenzenden Parkanlage. Es gibt in allen Richtungen Deckungsmöglichkeiten, nur im Flußbett böte sich ausreichendes Schußfeld. Diesen Weg werden sie sicherlich nicht wählen. Angesichts dieser Lage hat ein Zugriff außerhalb des Gebäudes nur geringe Erfolgsaussicht.“
Abdul legte die Karte zur Seite und ordnete die Grundrißzeichnungen übereinander an. „Es handelt sich um ein dreigeschossiges Gebäude in Sichtbetonausführung. Das Gebäude hat zwei Haupt- und zwei Nebeneingänge. Nur die Haupteingänge sind an das Treppenhaus angebunden. Das Gebäude steht zur Zeit leer, es gibt keinerlei Mobiliar, also keine Deckungsmöglichkeit in den Räumen. Alle drei Etagen haben denselben übersichtlichen Grundriß. Treppenhaus und Flure sind eng, sie bieten ebenfalls keine Deckung. Nach oben geht es vom Treppenhaus auf das Flachdach. Dieses ist von einer hüfthohen Mauer umgeben, man kann also nicht von Dach zu Dach springen. Fluchtmöglichkeit von dort nur per Seil, sei dies in die umliegenden Gassen oder in den Innenhof. Dieser hat in Nord-Süd-Richtung zwei Ausgänge. Die Situation in den Nachbargebäuden ist vergleichbar. Allerdings werden diese gewerblich genutzt. Um es kurz zu machen: Ein Überraschungseffekt ist unter diesen Bedingungen nicht darstellbar. Das gilt für die wie für uns.“
Abdul blickte zu Cannon hinüber, dann zu Bassett, neugierig, deren Kommentar zu hören.
„Sie sehen also im Gebäude keine Möglichkeit, unsere Leute unauffällig zu postieren?“ Es war erwartungsgemäß Cannon, der diese überflüssige Frage stellte.
Bevor Abdul antworten konnte, fuhr Bassett dazwischen. „Vergessen Sie‘s! Abdul, was, glaubst du, werden die tun?“
Abdul grinste, sah er es doch nicht ungern, wenn dieser junge Amerikaner dann und wann zu spüren bekam, daß Erfahrung durch nichts zu ersetzen war. „Sie werden im Gedränge, also außerhalb des Gebäudes zugreifen. Um den Überraschungseffekt zu nutzen, werden sie es sofort tun, zu Fuß; mit einem Fahrzeug hätten sie dort keine Chance. Das steht sicherlich außerhalb des Quartiers, vermutlicher Fluchtweg Richtung Westen. Es wird gar kein Gespräch geben. Man will nicht mit dir verhandeln, man will dich!“
Bassett nickte zustimmend. „Dann war es ja gut, daß sie wissen, daß wir das Gebäude und die Umgebung inspiziert haben! Dann glauben sie, wir seien auf der verkehrten Fährte ...“
Cannon fiel ihm ins Wort: „Wieso wissen die das?“
Bassett grinste mit der Überheblichkeit des Wissenden. „Später, John! Später!“
Cannon schluckte seinen Unmut hinunter. Allmählich begann das Gespann, seine Nerven zu strapazieren.
Bassett warf die zerknüllte Zigarettenpackung schwungvoll in den Papierkorb, um sofort das unumgängliche Ritual einzuleiten: die Suche nach einer neuen Packung inmitten eines chaotischen Umfelds. „Also ...“ – er schaute kurz auf – „... wie gehen
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